begegnen
Lidong Zhao
19.01. - 16.02.2020
alle Fotografien: Copyright Lidong Zhao
Lidong Zhao hat schon an der Regionale19 hier in der Künstlerwerkstatt im L6 Arbeiten gezeigt. Im Kunsthaus L6 stellt er nun in einem gesamten Raum seine phänomenologischen Fotografien vor. In der Ausstellung „begegnen“ zeigt er zwei Serien, die er seit mehreren Jahren gleichzeitig verfolgt und der eine gemeinsame philosophische Untersuchung zugrunde liegt.Beide Serien verschränken sich im Ausstellungsraum und eröffnen sowohl Gesamtansichten der einzelnen Serien sowie Begegnungen zwischen Landschaft und Stillleben.Trotz des bedeutenden Unterschieds, dass die Landschaft ohne Eingriff fotografiert wurde und die Stillleben hoch konstruiert sind, strahlen beide Serien eine enorme Ruhe und Tiefe aus. Gerade der Gegensatz, man könnte ihn Natur – Kultur nennen, sticht eigentlich nicht heraus. Man kann ihn konstatieren oder analysieren, aber nicht wirklich fühlen, empfinden. Das ist doch einigermaßen verwunderlich.
Doch wie entstehen seine Fotografien?Um Landschaftsaufnahmen zu machen, begibt sich Lidong Zhao in die Natur und macht sich mit seiner Umgebung vertraut. Nicht zielgerichtet, keiner Intention folgend, kein Bild schon im Kopf habend, versucht er möglichst eine Aufspaltung von sich und seiner Umwelt zu minimieren bzw. abzustellen. Also nicht den fotografischen Blick aufsetzen und wie ein Jäger im Wald ein Bild erlegen. Der Fokus liegt vielmehr auf der Wahrnehmung, dass er immer Teil seiner Umwelt ist und die Umwelt ein Teil von ihm, also keine Trennung möglich ist. In einem solchen Flanieren entsteht erst die Möglichkeit, dass ihm – überraschend – ein Bild begegnet. Etwas geht ihn an, taucht auf, blickt ihn zuerst an. (Vielleicht in einer Art, wie sie der Kunsthistoriker Georges Didi-Huberman in seinem Buch „Was wir sehen blickt uns an“ in Bezug auf das Betrachten von Kunst meint.) Dieses aufgetauchte Bild hat nur eine kurze Zeitspanne und einen exakten Standpunkt und oft eine bestimmte Tageszeit als Bedingung seiner Erscheinung. Ein wenig links oder rechts, einen Augenblick später, schon könnte das Licht nicht mehr passen. Deshalb entstehen die Fotos von Lidong Zhao dann unmittelbar mit der Kamera in einem nur sehr kurzen Akt. Routiniert wird der Apparat eingerichtet, das Stativ aufgestellt und der Auslöser gedrückt. Das Festhalten gelingt häufig nur, da Zhao eine Situation, eine Umgebung sehr lange erkundet, bzw. immer wieder. So kennt er dort alles, nichts kann sich mehr attraktiv abheben, der Lauf der Sonne ist klar, die Lichtverhältnisse topografische Begebenheiten. Erst in solchen Situationen kann es gelingen, dass man eben gerade nicht ein Bild findet, sondern dass es einem begegnet und ein Verhältnis, ein Bezug-nehmen aufeinander von Fotograf und Welt sich im Bild manifestiert.Indem Zhao sein Wissen vom Sehen löst, kann er selbst – als Fotograf – Teil seiner Umwelt sein und gerade nicht außenstehender Beobachter.Wenngleich Lidong Zhao mittlerweile nur noch digital arbeitet, bleibt sein Umgang mit dem Fotoapparat ähnlich wie bei der analogen Fotografie. Es entsteht nicht eine Vielzahl an Aufnahmen, die dann im Nachhinein ausgewählt werden. Zhao weiß genau, wann die Fotografie durch Drücken des Auslösers festgehalten werden kann.
Auch bei den Stillleben ist Lidong Zhao vornehmlich bestrebt, die Beziehungen von Objekten zueinander und der Umwelt darzustellen. Das Setting, Tischplatte mit Obst, Geschirr und teilweise dahinter montierte Papiere, durch die das Licht fällt, ist immer ähnlich. Nie sind künstliche Lichtquellen am Werk, immer ist es das natürliche Sonnenlicht, das die zufällig gewählten Objekte trifft.Wenngleich die inszenierten Stilleben sehr rein wirken, zeigt sich ein beziehungsreiches Spiel, das gerade über das Licht hervorgerufen wird: Schlagschatten der Gegenstände, Eigenschatten, diffuse Schatten von außerhalb des Bildes liegenden Gegenständen oder Architekturen, Reflexe. Alles kommt auf einen zu, bzw. nähert sich an. Dadurch wird der Fokus nicht auf den Gegenstand selbst gelegt, sondern auf seine Erscheinungsweise, die jeweilige Bedingtheit der Erscheinung durch den Bezug zur Umgebung. Also gerade keine Isolierung von Objekten, wie man auf den ersten Blick meinen könnte, sondern die Heraushebung, dass eine Isolation hin zur reinen Idee nicht möglich ist. Lidong Zhao versucht damit, Fotografien herzustellen, die unsere Beziehung zur Welt mit darstellen, bzw. erfahrbar machen. Vor seinen Bildern sind wir nicht Betrachter_innen von Bildern, sondern von Wirklichkeiten, deren Teil wir im Betrachten werden. Er gibt uns die Möglichkeit im Betrachten uns selbst mit den Bildern sowie des Ausstellungsraums verbunden zu erkennen. Lidong Zhao, *1986, hat an der Folkwang Universität der Künste in Essen Fotografie studiert und wohnt in Freiburg.