Jüdische Geschichte in Freiburg
Der Weg zur Gründung der israelitischen Gemeinde und der Bau der Synagoge
Situation der Juden in Baden und Freiburg in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts
Eine Volkszählung in Freiburg im Jahr 1846 ergab, dass damals gerade einmal zwanzig Juden in der Freiburger Innenstadt lebten oder sich zeitweise dort aufhielten. Dies lag an der damaligen Gesetzgebung: Seit 1807 waren Juden in Baden zwar als Staatsbürger anerkannt und ihre Religion wurde geduldet, das Ortsbürgerrecht blieb ihnen jedoch verwehrt. Ihnen wurde lediglich ein Schutzbürgerrecht zugesprochen, was sie jedoch von dem Wahlrecht vor Ort ausschloss. Außerdem durften sie nur in Ausnahmefällen zünftig gebundenes Gewerbe treiben, sodass sie auch in der Wahl ihres Berufes eingeschränkt waren. Auch durften sie nur in Gemeinden leben, in denen schon Juden ansässig waren. In anderen Gemeinden und Städten war dies nur mit Zustimmung der jeweiligen Gemeinde möglich. In Freiburg war lediglich der zeitweise Aufenthalt im Stadtgebiet erlaubt.
Die Wende von 1846 und die Revolution von 1848
Dieser Zustand änderte sich erst maßgeblich im Jahr 1846. Eine Fraktion innerhalb der Katholischen Kirche, die Deutschkatholiken, wollten sich von der Katholischen Kirche abspalten. Damals gab es jedoch nur für römisch-katholische und protestantische Bürger die Staatsbürgerschaft. Diese Regelung führte zu einer grundsätzlichen Diskussion um die Frage der Religionsfreiheit und so zu einer Auseinandersetzung zwischen den liberalen und radikalen Kräften der Regierung, sodass schließlich der badische Landtag aufgelöst wurde. Bei der Neuwahl des Landtags 1846 überwogen dann die liberalen Kräfte. Im Zuge dieser politischen Debatte um Religionsfreiheit, erlangten auch die Juden im August 1846 politische und gemeindebürgerliche Gleichstellung.
Dies führte in den folgenden Jahrzehnten jedoch nicht zu einer vollständigen Anerkennung der Juden als Mitbürger in Baden. Im Zuge der Revolution 1848 kam es auch im Oberrheinkreis zu Ausschreitungen gegen Juden. Nachdem die Grundrechte des deutschen Volkes durch die Frankfurter Nationalversammlung am 27. Dezember 1848 verabschiedet wurden, war die Frage der Religionsfreiheit für alle Konfessionen immer noch offen. Das Gesetz dazu, was im Februar 1849 verabschiedet wurde, formulierte nur ungenau, inwieweit Religionsfreiheit nun gelten sollte. In der Folge hatten die Juden in den 1850er und 1860er Jahren in Baden immer noch kein Ortsbürgerrecht. Sie waren weiterhin auf bestimmte Berufszweige beschränkt. Diese Beschränkungen schürten noch mehr Vorurteile in der Bevölkerung.
Dieser Zustand änderte sich erst ab 1862 mit einer "Neuen Ära" in der Politik: Durch eine liberalere Gesetzgebung und die Einführung der „Gewerbefreiheit und Freizügigkeit“ konnten sich jüdische Geschäftsleute ungehindert in Baden und Freiburg niederlassen. Auch das Bürgerrecht wurde ihnen nicht mehr grundsätzlich verwehrt. Trotz dieser neuen Freiheiten gab es in der Gesellschaft immer noch Vorbehalte gegen jüdische Mitbürger.
Die Gründung der israelitischen Gemeinde in Freiburg
Zu Beginn des Jahres 1864 beriefen die in Freiburg wohnhaften jüdischen Mitbürger eine Generalversammlung ein, die sich mit der Gründung einer israelitischen Gemeinde befasste. Da zu diesem Zeitpunkt schon mehr als 100 Juden in Freiburg wohnten, war die Gründung mehr als dringlich. Nachdem in der Versammlung die Gründung einer Gemeinde und deren Statute beschlossen wurde, wurde schließlich die Gemeindegründung beantragt. Der Gemeinderat der Stadt Freiburg sprach sich in einem Schreiben vom 31. Mai 1864 für eine Gründung aus, unter der Bedingung, dass die zukünftige israelitische Gemeinde sich selbst finanzierte. Das Innenministerium erließ daraufhin am 21. Oktober 1864 das Korporationsrecht, sodass mit der Wahl des Synagogenrates begonnen werden konnte. Die Wahl, die durch den Gemeinderat geleitet wurde, fand am 11. Januar 1865 statt. Adolf Weil ging dabei als Vorsteher der neuen israelitischen Gemeinde hervor. Die Wahl verlief jedoch unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Weder in den regionalen Zeitungen noch im städtischen Verkündigungsblatt wurde darüber berichtet.
Dass die Gründung der israelitischen Gemeinde und die Wahl des Synagogenrates von der Öffentlichkeit unbemerkt blieben, hing mit dem politischen Klima dieser Zeit zusammen. Da seit 1860 das Prinzip der Souveränität von Staat und Kirche galt, kam es in dieser Zeit zu einer radikalen Politisierung der Katholiken. Sie agierten gegen das vorherrschende liberale Bürgertum in Baden. Durch diese anhaltend schwierige Stimmung wollten das Bürgermeisteramt und die israelitische Gemeinde wesentliche Vorgänge innerhalb der Gemeinde nicht in der Öffentlichkeit thematisieren.
Der Bau der Synagoge 1869/70
Nach der Gemeindegründung 1864/65 wurde für den Bau einer Synagoge eine Kasse eingerichtet, in der die israelitische Gemeinde Einnahmen und Spenden sammelte. Bisher stand der Gemeinde nur ein Betsaal zur Verfügung, der sich am Münsterplatz im Haus Nr. 838 befand (im Jahr 1988: Hinterhaus zur Schusterstraße 27).
Zum Bau der Synagoge Ende der 60er Jahre sind sehr wenige Quellen vorhanden. Aus den Quellen zu entnehmen sind lediglich Meinungsverschiedenheiten zwischen der israelitischen Gemeinde und dem Gemeinderat bezüglich der Baubedingungen und dem Geländekauf. Der Gemeinderat forderte, dass die israelitische Gemeinde die Kosten für den Bau alleine tragen und der Geländepreis für die Synagoge vom Gemeinderat bestimmt werden sollte. Die israelitische Gemeinde wollte das Gelände jedoch unentgeltlich zur Verfügung gestellt oder wenigstens einen festen Preis genannt bekommen.
Aus den Quellen ist nicht zu entnehmen, wie die Auseinandersetzungen endeten. In einer Predigt des Stadtrabbiners Adolf Lewin zum 25. Jahrestag der Synagoge im Jahr 1890 erläuterte er, dass der Bau der Synagoge aus eigener Kraft geschah. Dies könnte heißen, dass die israelitische Gemeinde das Gelände kaufen musste. Die Synagoge wurde dann am 23. September 1870 eingeweiht.
Lewin zeichnete in seiner Rede aber auch ein positives Bild von der momentanen Lage der jüdischen Mitbürger in Freiburg. Er schrieb: "So ist die Fremde uns zur Heimat geworden. So fühlen wir uns nicht als Fremde – werden auch nicht als solche angesehen – denn ein Gefühl der Liebe umschlingt uns alle und unsere andersgläubigen Mitbürger, das Band der Liebe zu Fürst und Vaterland, zu unserer schönen Mutterstadt" (Stadtarchiv Freiburg, Dwe 580). Es ist also anzunehmen, dass die jüdischen Mitbürger zumindest in der Zeit um 1890 gut in Freiburg integriert waren.
Literatur: Blod, Gabriele: Die Entstehung der israelitischen Gemeinde Freiburg 1849-1871, Stadt und Geschichte Heft 12, Freiburg i. Br. 1988.