An kaum einer anderen Stelle hat das frühere Ziel einer autogerechten Stadt so sichtbare Spuren hinterlassen wie im Schlossbergring. Mit hohem Aufwand und durch Abriss zahlreicher Häuser entstand dort Ende der 1960er Jahre eine vierspurige Autoschneise – mit sehr wenig Platz für alle, die zu Fuß oder mit dem Rad unterwegs sind. Das soll sich zwischen Schwabentorbrücke und Europaplatz jetzt deutlich ändern.
Der Anfang wurde bereits vor rund zwei Jahren gemacht: Nicht zuletzt aufgrund der Forderungen aus dem Bürgerbegehren zum Fuß- und Radentscheid hat das Garten- und Tiefbauamt – zunächst als Probelauf – eine Fahrspur des östlichen Schlossbergrings für den Radverkehr umgewidmet. Der vorherige, extrem schmale Radweg entlang der Stützmauer zum Schlossberg ist seither ein Fußweg. Die Ergebnisse sorgten in der Öffentlichkeit für Verblüffung: Statt einem Verkehrschaos, das viele kritische Stimmen vorhersagten, lief der Verkehr von Beginn an flüssig. Die befürchteten Rückstaus bis auf die B31 blieben im Grunde aus.
Der offensichtliche Eindruck, dass der Verkehr gut läuft, wurde zwischenzeitlich auch von einem Gutachten bestätigt. Dessen Ergebnisse waren letztlich so wenig überraschend, dass man auf eine große öffentliche Präsentation verzichtet hat.
Machbarkeitsstudie
Folgerichtig wird die Lösung im Schlossbergring auch zentraler Bestandteil für die Umgestaltung des gesamten Innenstadtrings zwischen Schwabentorbrücke und Europaplatz. Für die Planungen hat das Garten- und Tiefbauamt eine detaillierte Machbarkeitsstudie mit genauer Untersuchung der Verkehrsabläufe beim Karlsruher Büro Inovaplan in Auftrag gegeben. Als Planungsziele wurden Verbesserungen für den Fuß- und Radverkehr sowie die Verkehrssicherheit, die Berücksichtigung der Standards für den geplanten Radschnellweg sowie die allgemeinverträgliche Abwicklung der vorhandenen Verkehrsströme vorgegeben. Seit vergangenem Dezember liegt das Gutachten aus Karlsruhe vor.
Gegenstand der Untersuchung waren drei Planungsideen:
Variante 1: „Nicht empfehlenswert“
Vom Rad- und Fußentscheid vorgeschlagene Variante mit Bündelung des Autoverkehrs auf der Westseitemit jeweils einer Fahrspur pro Richtung und Platz auf der Ostseite für Rad- und Fußverkehr.
Diese Variante hat ihren offensichtlichen Charme, weil dadurch sehr viel Platz für den Fuß- und Radverkehr auf der Ostseite zur Verfügung steht. Damit sind die Vorteile aber schon fast vollständig aufgelistet, denn die Nachteile überwiegen bei weitem, wie die Karlsruher Verkehrsfachleute im Detail ermittelt haben. Für den Radverkehr gibt es viele kaum lösbare Kreuzungsprobleme, die mit erheblichen Sicherheitsrisiken einhergehen. Gleichzeitig wird die Leistungsfähigkeit für den Autoverkehr so drastisch reduziert, dass selbst bei einem angenommenen 20-prozentigen Rückgang des Verkehrs (gegenüber 2016) ein Zusammenbruch des Innenstadtverkehrs mit Auswirkungen auf das angrenzende Straßennetz und auch andere Verkehrsmittel die Folge wäre. Als besonders kritisch bewertet das Gutachten den „zu erwartenden Rückstau auf die B 31“. Auch die Ein- und Ausfahrt der Schlossberggarage auf der Ostseite würde entfallen. Nicht zuletzt weist Variante 1 die mit Abstand höchsten Umbaukosten und den größten Planungsaufwand auf. Die vom Fuß- und Radentscheid zurecht gewünschte schnelle Umsetzung wäre damit völlig illusorisch. „Insgesamt kann eine Umsetzung von Variante 1 auf Grund von erheblichen Einschränkungen für den Kfz-Verkehr, der weiterhin ungelösten Problemstellen in der Abwicklung der verschiedenen Fahrbeziehungen des Radverkehrs, den hohen Umsetzungskosten und dem unsicheren Ausgang des Planrechtsverfahrens nicht empfohlen werden“, lautet das Fazit im Gutachten.
Optimierte Variante 2 am besten
Platz für Rad- und Fußverkehr durch Kombination aus überbreiter und einstreifiger Fahrspur für Autos
Nach Einschätzung der Karlsruher Fachleute und auch des städtischen Garten- und Tiefbauamts ist die Variante 2 mit einzelnen Optimierungen am besten geeignet, die Situation für alle, die zu Fuß oder mit dem Rad unterwegs sind, deutlich zu verbessern und gleichzeitig den Autoverkehr so flüssig zu halten, dass keine schwerwiegenden Auswirkungen auf das angrenzende Verkehrsnetz zu erwarten sind. Kernstück der Planung, die wir im Weiteren abschnittsweise im Detail vorstellen wollen, ist die Verringerung der Autofahrspuren auf eine einzelne beziehungsweise eine von zwei Fahrzeugen parallel nutzbare überbreite Fahrspur. Zusammen mit dem planerischen Kniff, auf Höhe der Einmündung von Kartäuser- und Wallstraße (beim Café Atlantik) die Stadtbahngleise in eine von Autos mitnutzbare Fahrspur umzuwandeln gelingt es mit dieser Variante fast durchgängig, die gewünschten Breiten für die Radspuren zu ermöglichen, ohne dass es zu einer Behinderung des Autoverkehrs mit langen Rückstaus kommt. Einziger, kleiner Haken: Die Umwidmung der Gleise erfordert ein Rechtsverfahren, welches aber aus heutige Sicht nur wenig direkt Betroffene hat.
Variante 3 mit wenig Verbesserungen
Durchgehend überbreite Fahrbahnen für Kraftfahrzeuge
Als dritte Variante wurde untersucht, den für den Rad- und Fußverkehr notwendigen Platz durch eine Umwandlung der Autofahrspuren in jeweils eine überbreite Fahrspur zu gewinnen, auf der – mit etwas weniger Platz als heute – aber immer noch zwei Kfz nebeneinander unterwegs sein können. Auch hier kommt das Gutachten nach detaillierter Untersuchung zu einem sehr eindeutigen Ergebnis: Zwar wäre die Umsetzung überall ohne Planverfahren möglich, doch leider gäbe es auch kaum nennenswerte Verbesserungen für den Umweltverbund. Letztlich ist die Erkenntnis nicht überraschend: Es reicht nicht aus, dem Autoverkehr ein bisschen was abzuknappsen; für ordentliche Rad- und Fußwege braucht es einfach auch ordentlich Platz.
Die fachlich beste Variante
3D-Visualisierung im Video
Abschnitt Nord
Im Leopoldring zwischen Europa- und Karlsplatz wird die bewährte Verkehrsführung aus dem Abschnitt westlich der des Europlatzes fortgesetzt. Das heißt, es gibt in beiden Fahrtrichtungen einen überbreiten Fahrstreifen, der in der Regel das Nebeneinander von zwei Autos erlaubt – Lkw brauchen aber die ganze Breite des Fahrstreifens. Dies klappt erfahrungsgemäß gut, weil der Anteil an größeren Fahrzeugen hier nicht so groß ist.
Gleichzeitig schafft diese Lösung genügend Platz für einen Radstreifen, der fast durchgängig deutlich breiter als zwei Meter ist. Östlich des Karlsplatzes ist die Situation seit dem Umbau vor einigen Jahren bereits recht radfreundlich, da mit der Erasmusstraße als ausgewiesene Fahrradstraße eine sehr gute Radverkehrsverbindung zur Verfügung steht. In diesem Abschnitt können daher die heute vorhandenen zwei getrennten Kfz-Fahrspuren Richtung Osten bis zur Einmündung der Hermannstraße erhalten bleiben.
Abschnitt Mitte
Auf der Ostseite des Schlossbergrings bleibt es im Wesentlichen bei der heutigen Verkehrsführung mit jeweils einem Fahrstreifen für den Pkw- und Radverkehr sowie einem separaten Fußweg. Auch die Zufahrt zur Schlossberggarage bleibt in diesem Fall erhalten. Auf der Westseite, also zur Altstadt hin, wird der Kfz-Verkehr künftig auf einer überbreiten Fahrspur geführt. Vorteil auch hier: Mehr Platz für alle, die zu Fuß gehen oder mit dem Rad fahren, ohne den Autoverkehr stark einzuschränken.
Vorher-Nachher Vergleich:
Abschnitt Süd
Die größten Veränderungen und den höchsten baulichen und planerischen Aufwand gibt es zwischen Schwabentorplatz und Schwabentorbrücke. Zum besseren Verständnis werden die bauliche ohnehin deutlich getrennten Bereiche Ost (Schwabentorring) und West (Greiffeneggring) separat betrachtet.
Schwabentorring
Hier ist Platz besonders rar, weil zusätzlich auch noch die Stadtbahn unterwegs ist – bislang auf einem separaten Gleiskörper. Logisch, dass daneben nur noch ein Fahrstreifen für Autos bleibt, wenn auch zu-Fuß-gehende oder radelnde Menschen mehr Platz bekommen sollen. Die Planungsfachleute wollten sich damit aber nicht zufriedengeben. Das Ergebnis von Expertise und Hirnschmalz ist das, was im Planungssprech „dynamischer Gleiskörper“ genannt wird. Zu Deutsch: Kraftfahrzeuge und Straßenbahnen teilen sich eine Fahrspur. Im Regelfall sollte das auch gelingen, ohne dass die Straßenbahn im Autostau steht. Positiver Nebeneffekt: Kollisionen mit falsch abbiegenden Autos sind dann ausgeschlossen.
Das Mitbenutzen des Gleises bedeutet, dass dem Kfz-Verkehr ähnlich wie heute zwei Fahrstreifen zur Verfügung stehen. Im Übergang zum Schlossbergring wird dann aus zwei eins – etwa so wie heute schon. Der große Unterschied zum Status quo sind die breiten Fuß- und Radwege – beide zusammen über fünfeinhalb Meter breit statt heute jeweils knapp anderthalb. Auch auf der Schwabentorbrücke stehen den Fahrrädern künftig drei Meter breite Spuren zur Verfügung; hier fällt eine Autospur ersatzlos weg, ebenso wie eine Abbiegespur aus der Schillerstraße Richtung Innenstadt. Von Osten kommend bleibt es aber bei den beiden Abbiegespuren von der B 31 in den Schwabentorring, sodass hier kein aufwendiger Umbau erforderlich ist und Rückstaus in den Tunnel vermieden werden können.
Vorher-Nachher Vergleich:
Greiffeneggring
Hier war die Situation für den Radverkehr in der Vergangenheit nicht nur unbefriedigend, sondern tatsächlich gefährlich. Deswegen hat das Garten- und Tiefbauamt schon vor einiger Zeit eine Kfz-Spur in eine breite Radfahrspur umgewandelt. Diese Lösung hat sich bewährt und wird beibehalten.
Die genannten Umgestaltungen lassen sich in mehreren, voneinander unabhängigen Bauabschnitten realisieren. Noch gibt es aber keine konkrete Ausführungsplanung und damit weder einen Zeit- noch einen Kostenplan. Zu beachten gilt auch, dass die hier gezeigten Pläne das Ergebnis einer Machbarkeitsstudie sind und somit keine fertige Vor- oder sogar Entwurfsplanung darstellen. Das bedeutet, dass sich bei der Ausarbeitung kleinere und größere Änderungen ergeben können und an vielen Stellen sicherlich auch noch Verbesserungen.
Nicht zuletzt um die drei Varianten vergleichen zu können enthält das Gutachten dennoch eine grobe Kostenprognose, die auf Erfahrungswerten vergleichbarer Projekte einschließlich einer Risikopauschale basiert. Demnach ergibt sich auch aus Kostensicht eine klare Reihenfolge:
Variante 1 böte nicht nur die aus gesamtverkehrlicher Sicht unbefriedigendste Lösung, sondern wäre auch noch die teuerste.
Variante 3 ist zwar etwas günstiger, bietet aber quasi keinen Fortschritt.
Eine gute Kosten-Nutzung-Relation verspricht dagegen die nun verfolgte, etwas weiterentwickelte und optimierte Variante 2. Sie soll daher in den kommenden Jahren und abhängig von der Haushaltslage Schritt für Schritt Realität werden.