Den Himmel mit den Ohren riechen

ROMINA ABATE / NINA LAAF

23.März – 2. Mai

Foto: Marc Doradzillo
Foto: Marc Doradzillo

Der Titel der Ausstellung erzeugt einen poetischen Irritationsmoment, in dem Sinne und Sinnesorgane vertauscht bzw. neu kombiniert werden. Die Künstlerinnen behaupten damit nicht nur eine Subjektivität in der Wahrnehmung, sondern gerade auch eine notwendige Ambivalenz in der Rezeption von Kunst. Diese gezielte Produktion von Uneindeutigkeiten sind wichtige Gemeinsamkeiten der beiden Künstlerinnen.

Nina Laafs skulpturale Interventionen sind sehr präzise auf den jeweiligen Ausstellungsraum abgestimmt. Im Kunsthaus L6 zeigt sie verschiedene Arbeiten in verschiedenen Medien, die sich dramaturgisch aufeinander beziehen. Ihnen gemeinsam ist, dass sie eine Kurve beschreiben, ja fast schon eine Bewegung der Umarmung. Das große Metallband, modular als Zinken-Kette konstruiert, macht einen Knick um den Pfeiler und bewegt sich auf die perfekt geformten Gipsröhren zu, die sich wie leichte Zeichnungen zu Türmen stapeln. Der Siebdruck „soft touch“ wiederholt diese Bewegung, die sich dann wieder mit dem Schriftzug bei „meine Katze“ spiegelt. Diese nur als Text bestehende Wassersäule bekommt in Bezug zu den anderen Säulensegmenten architektonisches Gewicht – auch da sie auf der schmalen Seite der Mittelwand des Raumes angebracht ist.
Während diese Arbeiten ästhetisch eine präzise Ausführung in den Vordergrund zu stellen scheinen, die zwischen maschineller und handwerklicher Produktion schwankt, steigert die Arbeit „davor ist immer anders als danach“ dieses Schwanken zu einem Gegensatz zwischen maschineller Perfektion der spiegelnden Fläche und der unkontrollierten Salzwucherung auf der Gipsröhre, die - natürlichen Prozessen folgend - einen Charme entwickelt, der an Tropfsteinhöhlen oder auch Ruinen denken lässt. Und auch in dieser Arbeit zeigt sich eine Art der Berührung. Beziehungsweise das Ergebnis einer langen Berührung zwischen Salzwasser und Gipsröhre, zwischen Kultur und Natur.

Foto: Marc Doradzillo
Foto: Marc Doradzillo

Romina Abate schafft Situationen, die Bedeutungsverschiebungen nach sich ziehen. Dabei arbeitet sie mit verschiedenen Medien wie Papier, Fotografie, Video, Skulptur sowie gefundenen Gegenständen und kombiniert diese zu narrativen Settings. Für die Ausstellung bedient sie sich aus dem Werkkomplex „Das Meer der Hunderttausend Inseln“ und schafft neue Arbeiten, die sich durch einen enormen Assoziationsreichtum auszeichnen.
In ihren Arrangements im Kunsthaus L6 scheint die Auseinandersetzung mit verschiedenen Displaytechniken am Anfang zu stehen. Die Böcke erhöhen das zu Zeigende ohne dabei nur Dienstleister zu sein. Stattdessen sind sie komplett in das Kunstwerk eingebunden. Mal bilden sie die Grundlage, um das Gegenteil ihrer eigentlichen Funktion darzustellen, indem sie nur aus zwei linken Hälften bestehen, die dann eine Sonderstütze brauchen. Mal müssen ihre Querstreben mit „Ausstellungsstücken“ beschwert werden, um die kippelige Situation darüber zu stabilisieren. Kein Element ihrer Displays ist nur der Rahmen für das zu Zeigende, sondern ist immer mit involviert in das gesamte Arrangement und zugleich Zeichen und. Die Assoziationen finden dabei auf verschiedenen Ebenen statt. Sowohl Farbe, Form oder Materialeigenschaften können sich verbinden wie auch kulturelle Bedeutungszuschreibungen. Bei Abate scheint nie ein Rahmen oder ein Kasten geschlossen zu sein, also fixiert und endgültig fertig. Abgeschlossene Arbeiten scheinen Stillstand zu bedeuten bzw. Unterbrechung eines Assoziationsflusses, der immer wieder neue Verbindungen schafft und nur für Ausstellungen kurz angehalten wird. Dabei bleibt der Assoziationskorridor breit und wird nicht eingeengt von den durch die Künstlerin hineingebrachten Kontexten. Vielmehr wird neben diesem Erkunden der künstlerischen Gedankensprünge eine Selbsterkundung motiviert, die gleichberechtigt zu derjenigen der Künstlerin stehen darf.
Das Erstaunliche daran ist, dass diese amalgamierten Installationen trotz ihrer Fülle ein Gefühl von Reduktion und Klarheit versprühen.

Foto: Marc Doradzillo
Foto: Marc Doradzillo
Foto: Marc Doradzillo
Foto: Marc Doradzillo