Freiburg nach dem Krieg - Zeit der Not und des Aufbruchs
Menschen, die in den Kellern des zerstörten Freiburgs hausen; Kinder, die nicht in die Schule gehen können, weil sie keine Schuhe haben; Kriegerwitwen, die vor Erschöpfung zusammenbrechen, weil sie die Doppelbelastung von Arbeit und Sorge für die Kinder nicht mehr aushalten; zahllose Entwurzelte und Verwahrloste, die der Krieg aus der Bahn geworfen hat und die auf der Landstraße umherziehen: Dies und vieles andere beschreibt die "Chronik der Freiburger Nachkriegsnot", die der langjährige Leiter des Freiburger Sozial- und Jugendamtes, Franz Flamm, in seinem Ruhestand zusammengestellt hat.
Die "Chronik" handelt aber nicht nur von einer Zeit der Not. Sie beschreibt auch eine Zeit des mannigfaltigen Aufbruchs und eines neuen sozialen Verantwortungsgefühls: der Zusammenarbeit zwischen Stadt und Bürgern bzw. zwischen Deutschen und Ausländern; des erfolgreichen Improvisierens in Zeiten kollektiver Not und knapper Ressourcen; der Eingliederung mehrerer zehntausend "Fremder" – Heimatvertriebener, "Sowjetzonenflüchtlinge" und Spätaussiedler – in die große Gemeinde der Freiburger Bürgerschaft (auch in dieser Hinsicht zeigte sich Freiburg bereits als "offene Stadt"!).
Projekt des Freiburger Sozial- und Jugendamtes
Mittlerweile konnte die Chronik aufbereitet werden. Im Sommer 2000 hatte Franz Flamm der Stadt per Schenkungsvertrag seine 15 Ordner (Gesamtumfang circa 2.500 Seiten) zur Freiburger Nachkriegsnot überlassen. Sie beruhen auf eigenen Erinnerungen, Zeitungs- und Zeitschriftenartikeln, sowie Unterlagen des Stadtarchivs und tragen Titel wie "Menschen in Ruinen und Trümmern", "Die Hungerchronik", "Die Hilfe des Auslands" und "Die Beheimatung von Vertriebenen und Aussiedlern".
Auf Initiative des früheren Sozialbürgermeisters Seeh bildete sich daraufhin ein Beirat aus Vertretern der Stadt, der Geschichtswissenschaft und sozialer Einrichtungen, der das Projekt zur Aufarbeitung der Freiburger Sozialgeschichte der Nachkriegszeit zügig in Angriff nahm.
Dokument Freiburger Alltags- und Sozialgeschichte
Im Mai 2002 beauftragte der Beirat den promovierten Historiker Robert Neisen damit, die Unterlagen von Flamm zusammenzufassen und in einem Buch zu veröffentlichen. Robert Neisen, der beim Sozial- und Jugendamt angestellt ist, ergänzt die Unterlagen von Flamm durch Zeitzeugen-Interviews und weitere Akten des Stadtarchivs. Auf diese Weise entsteht ein ebenso spannendes wie informatives Dokument Freiburger Alltags- und Sozialhistorie, das Geschichte anhand von konkreten Ereignissen und Einzelschicksalen greifbar und lebendig macht. Es zeigt insbesondere, wie lang und beschwerlich der Weg Deutschlands und Freiburgs aus der durch den Zweiten Weltkrieg verursachten Not war (erst Mitte der 1960er Jahre war beispielsweise die durch den Bombenangriff vom 27. November 1944 bedingte Wohnungsnot beseitigt) und wie wichtig die vielfältigen Hilfen der öffentlichen Hand, des Auslands undder freien Wohlfahrtsträger waren, um Freiburg sozial und politisch zu befrieden.