Einleitung
Wie können und sollen sich Kulturpolitik und Kulturförderung in Freiburg und damit die gesamte Kunst- und Kulturszene weiterentwickeln?
Manchmal gewinnt man einen anderen und neuen Blick auf die Dinge, wenn man sie aus einer anderen Perspektive betrachtet.
Der Diskursraum 1 des Kulturlabors Freiburg hat das Ziel
die rechtlichen und politischen und finanziellen Rahmenbedingungen der Kulturpolitik in den Blick zu nehmen, Veränderungen und Entwicklungen der Kulturpolitik in den letzten 70 Jahren kennen zu lernen, und vor diesem Hintergrund die heutigen Herausforderungen für die Kulturpolitik und für die Gestaltung der zukünftigen Kulturförderung diskutieren.
Perspektivenvielfalt
Im dritten Teil werden daher die Kulturpolitik und Kulturförderung aus verschiedenen Perspektiven betrachtet und diskutiert:
aus der Sicht der Kunst und Kulturakteure aus Sicht anderer Akteure im gesellschaftlichen, sozialen Leben der Stadt aus Sicht der Politik, die am Ende die Gestaltung auch aus der Perspektive eine Gesamtblicks auf die Stadt und ihre Entwicklung abwägt, diskutiert und entscheidet.
Inhaltsverzeichnis
I. Die Kulturszene und Kulturpolitik Akteure – Strukturen – Rechtlicher Rahmen.Akteure und Strukturen der KulturszeneKulturpolitik in der föderalen StrukturRechtliche Grundlagen der Kulturpolitik - vom Grundgesetz bis zur Gemeindeordnung.
II.Kulturpolitik im Laufe der geschichtlichen Entwicklung Veränderungen – Konstanten – Herausforderungen.Unterschiedliche Akzente der Kulturpolitik im Laufe der geschichtlichen Entwicklung.Konstanten in der Kulturpolitik - Programmatische Leitlinien für Kulturpolitik, die allgemeine Gültigkeit erhalten haben.Die Entwicklungen seit 2010 und aktuelle Herausforderungen.
III. Kulturpolitik und Kulturförderung in der Kommune.
Kulturpolitik in der Kommune im Kontext der gesamten gesellschafts- und wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen.Strukturen der Kulturpolitik und Kulturförderung – zentrale Aufgaben der Kulturpolitik in der Kommune Austausch über Ziele im Dialog der Stadtpolitik- und Verwaltung mit der Kunstszene Was erwartet denn die Stadt von der Kulturszene? Was erwartet die Kunst- und Kulturszene?.Neue gesellschaftliche Bündnisse, Transformation, Digitalisierung und weitere Themen Welche Entwicklungen und Rahmenbedingungen sind für eine zukunftsgerichtete Kulturpolitik und Kulturförderung wichtig?
I. Die Kulturszene und Kulturpolitik Akteure – Strukturen – Rechtlicher Rahmen
1. Akteure und Strukturen der Kulturszene
Wer macht die Kultur? Wer ist denn die Kulturszene?
Man kann die Kulturakteure nach Sparten wie Bildende Kunst, Darstellende Kunst, Tanz, Theater, Musik, Literatur, Film sowie spartenübergreifende Angebote benennen.
Andere Akteure wie z.B.: die Enquete-Kommission „Kultur inDeutschland“ gliedern nach der Organisationsform, in der
Kulturbetriebe regelmäßig auftreten, folgende Sparten (vgl. EK 2007, S. 91ff):
- Theater (u.a. Sprechtheater, Tanztheater, Kinder- und Jugendtheater),
- Musik und Musiktheater (u.a. Opernhäuser, Orchester),
- Museen und Ausstellungshäuser, Galerien
- Literatur (u.a. Bibliotheken),
- kulturelle Bildung (Musikschulen, Jugendkunstschulen),
- soziokulturelle Zentren (alle spartenübergreifenden, sozial-integrativen und interkulturellen Begegnungsstätten) etc.
Die Systematisierung des Bundesministeriumsfür Wirtschaft und Technologie zur Kultur- und
Kreativwirtschaft in Deutschland unterscheidet
11 Teilmärkte, die überwiegend erwerbswirtschaftlich orien-
tiert sind und sich mit der Schaffung, Produktion, Verteilung
und/oder medialen Verbreitung von kulturellen bzw. kreativen
Gütern und Dienstleistungen befassen.
Aus Kulturpolitischer Sicht ist es lohnender, die Kulturakteure nach der Trägerstruktur zu unterscheiden:
Systematisierung nach:
Öffentlich-rechtlich /
Privatrechtlich-gemeinnützig /
Privatrechtlich-kommerziell
Diese Unterscheidung ist für die Aufgaben, Finanzierungen, Organisationsstruktur, aber auch für das Steuerrecht wesentlich. Auch die Kulturförderung hat, abhängig von der Trägerstruktur, unterschiedliche Möglichkeiten anzusetzen.
Die Gliederung ist auch aus gesellschafts- und stadtpolitischer Sicht auf
die Kulturszene wichtig, weil sie aufzeigt, dass im Kulturleben öffentliche Einrichtungen und zivilgesellschaftliche Akteure zusammenwirken, und zwar nicht nur gemeinnützige Träger (wie Vereine), sondern auch kommerzielle Träger.
Insbesondere in der städtischen Kulturpolitik haben wir also eine
Kulturszene in den Blick zu nehmen, die von der Bürgergesellschaft, vom Staat und vom Markt getragen wird und die bei der Gestaltung der Kulturförderung differenziert in den Blick genommen werden muss.
Wie unterscheiden sich diese drei Typen von Betrieben?
Öffentlich-rechtliche Kulturbetriebe
Träger öffentlich-rechtlicher Kulturbetriebe sind Kommunen oder ein Verbund aus mehreren Gemeinden (Zweckverband) und/oder Bundesländer.
Die Ziele öffentlich-rechtlicher Kulturbetriebe sind kultur- und gesellschaftspolitischer Art (z.B. einer möglichst großen Zahl von Menschen den Besuch bzw. die Nutzung einer Musikschule, Bibliothek oder eines Theaters zu ermöglichen) sowie künstlerisch-inhaltlicher Art (z.B. ein Publikum durch Theater politisch und kulturell zu bilden und /oder zu unterhalten.
Die Zuschüsse und Zuwendungen der Träger machen einen großen, wenn nicht den größten Anteil an der Gesamtfinanzierung aus.
Die Generierung eigener Einnahmen, z.B. aus dem Verkauf von Eintrittskarten oder die Einwerbung öffentlicher und privater Drittmittel (Stiftungsgelder, Spenden, Sponsoring) spielt in den meisten, öffentlichen Kulturbetrieben eine nachgeordnete Rolle.
(b) Privatrechtlich-gemeinnützige Kulturbetriebe
Die Träger privatrechtlich-gemeinnütziger Kulturbetriebe können natürliche Personen sein, die beispielsweise einen Verein, eine Stiftung oder eine gemeinnützige Gesellschaft gründen. Aber auch juristische Personen des Privatrechts (GmbH, Aktiengesellschaft) oder des öffentlichen Rechts (Gemeinden, Landkreise etc.) können z.B. Gründungsmitglieder eines Vereins sein.
Privatrechtliche Kulturbetriebe erlangen den Status der Gemeinnützigkeit, wenn ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern (§ 52 Abs. 1 Abgabenordnung).
Damit dürfen sie zwar Einnahmen (und auch Überschüsse) zur Erreichung ihrer Ziele erwirtschaften, arbeiten aber - wie die öffentlichen Kulturbetriebe auch - in erster Linie nicht profitorientiert.
Ihre Ziele sind abhängig von den in den Statuten einer Einrichtung (z.B. Vereins- oder Stiftungssatzung) festgelegten Aufgaben.
Damit verfolgen privatrechtlich-gemeinnützige Kulturbetriebe keine übergeordneten kulturpolitischen Ziele, sondern die ihrer jeweiligen Träger, die hier frei sind, ihre eigenen Ziele festzulegen.
Bei privatrechtlich-gemeinnützigen Organisationen besteht die Finanzierung aus der Erwirtschaftung von eigenen Einnahmen (z.B. Mitgliedsbeiträge, Erlöse aus Verkauf von Produkten und Dienstleistungen, Verwaltung von Kapitalvermögen) sowie aus der Einwerbung von öffentlichen und privaten Mitteln (z.B. Spenden, Projektzuschüsse). Hinzu kommen Mittel der Träger, bei Stiftungen z.B. das Stiftungsvermögen (bzw. die Verwendung der Erträge hieraus).
(c) Privatrechtlich-kommerzielle Kulturbetriebe
Träger bzw. Eigner können wie beim gemeinnützigen Kulturbetrieb natürliche oder juristische Personen des privaten und des öffentlichen Rechts sein; der Staat kann damit in allen drei Kultursektoren als Träger mitwirken.
Maßgebliches Unterscheidungskriterium zu den beiden vorgenannten Betriebstypen ist die Gewinnorientierung. Unternehmen aus der Kultur- und Kreativwirtschaft wollen mit Kunst, Kultur und Kreativität Geld verdienen.
Das Gewinnstreben, um z.B. Gehälter auszahlen zu können, Mittel für künftige Investitionen zu erwirtschaften und die langfristige Wettbewerbsfähigkeit zu sichern, ist das Charakteristikum dieser Trägerform.
Kommerzielle Kulturbetriebe können wie alle anderen Betriebe auch dezidiert inhaltliche bzw. künstlerische Ziele verfolgen. Diese müssen jedoch viel stärker als im öffentlichen und gemeinnützigen Kulturbetrieb auf ihre ökonomische Machbarkeit überprüft werden.
Die Finanzierung erfolgt damit in erster Linie über den Markt bzw. die Nachfrage. Nachgeordnet können sich auch private Unternehmen über die Einwerbung von öffentlichen und privaten Mitteln finanzieren.
Tabelle 3 (Vgl. Folie) fasst die obigen Ausführungen zusammen und führt jeweils typische Beispiele aus der Praxis auf. Dabei wird deutlich, dass verschiedene Kulturanbieter, wie z.B. Musikschulen oder Festivals, aber auch Museen, Theater, Rundfunkanstalten und Fernsehsender, je nach ihrer Ausrichtung und Trägerschaft verschiedenen Bereichen
zugeordnet werden können.
Diesen verschiedenen Akteure der Kulturszene ist gemeinsam, dass sie als „Betriebe“ im kulturellen Leben ihre Ziele verfolgen: künstlerische Ziele, wirtschaftliche Ziele, Besuchergruppen und Besucherzahlen insgesamt, ideelle Ziele wie Renommee, Bekanntheit etc. Insgesamt gestalten ein vielseitiges Angebot in der Stadt, und sie haben teilweise unterschiedliche Bedürfnisse der Förderung.
Da der größte Teil der Kunst- und Kulturproduktion aus Personalleistungen besteht, haben alle das Problem, ihre Personalleistungen zu erhalten bzw. für veränderte Zwecke auszubauen. Das ist bei bezahlten Kräften die Finanzierung der regelmäßig steigenden Personalkosten, bei ehrenamtlichen Kräften die Frage des Generationswechsels und der Gewinnung von genügend Mitwirkenden überhaupt.
Die gesellschaftspolitische Perspektive der Trägervielfalt in der Kultur macht aber auch deutlich, dass im Kulturleben öffentliche Einrichtungen und zivilgesellschaftliche Akteure zusammenwirken, und zwar nicht nur gemeinnützige Träger (wie Vereine), die in der Anzahl am größten, sondern auch kommerzielle Träger.
Insbesondere in der städtischen Kulturpolitik haben wir also eine Kulturszene in den Blick zu nehmen, die von der Bürgergesellschaft, vom Staat und vom Markt getragen wird und die bei der Gestaltung der Kulturförderung differenziert in den Blick genommen werden muss.
Betrachte ich Kulturpolitik und Kulturförderung dann zu Recht im Kontext der gesamten Stadtpolitik, spielen noch eine Reihe weiterer Faktoren mit.
Worum es geht und gehen soll, ist in dem Titel einer
Tagung der Akademie Loccum sehr gut zum Ausdruck gebracht:
„Die Stadt von der Kultur her denken –
Die Kultur von der Stadt her denken“
Das ist ein gutes Bild für diesen Prozess, den Sie jetzt beginnen:
Welchen Blick hat die Kultur auf die Stadt?
Welche Rolle spielen die Kulturakteure in der Stadt? Jeder für sich? Alle als Szene?
Was bewirkt die Kultur?
Wo sieht die Kultur Bedarf an Angeboten, Vernetzungen, Räumen?
Aber auch die Kultur von der Stadt her denken?
Was ist der Stadt, den Menschen in der Stadt wichtig?
Wo steht die Kultur in der Stadt im Kontext des gesamten öffentlichen
Lebens?
Was erwartet denn die Stadt von der Kultur?
Welche Zielgruppen werden angesprochen und erreicht?
Gibt es aus Sicht der Stadt Bereiche, die nicht ausreichend besetzt sind?
Welche Kooperationen gibt es? Wo findet Wettbewerb statt?
Also um diese vielfältige Kulturszene mit sehr unterschiedlichen
Trägerformen geht es bei der Frage, wie gestaltet Kulturpolitik und wie
gestaltet Kulturpolitik Förderung.
2. Kulturpolitik in der föderalen Struktur
Ebenso wie die Vielfalt der Akteure auf der Kulturseite gibt es eine Vielfalt der politischen Akteure in der Kultur. Denn die politische Struktur in Deutschland ist eine dezentrale, genauer gesagt eine föderale.
Kulturpolitik ist in Deutschland föderal organisiert. Die politische Macht ist auf verschiedene Ebenen verteilt. Das gilt eben auch für die Kulturpolitik
Föderale Struktur
Kommunen / Kreise / Regionen
Bundesländer – Regierungspräsidien
Bund
Europa (Einzelprogramme, INTERREG)
Hier geht es um europäische Kulturkooperationen, thematische
Vernetzungen in der europäischen Kulturszene, aber zum Beispiel auch um Kultur im Bereich der grenzüberschreitenden Politik innerhalb der EU.
UNESCO
In einigen übergreifenden globalen Bezügen gibt es auch kulturpolitische und kulturfördernde Aktivitäten bei der UNESCO, z.B. Themen wie Denkmalschutz / World Heritage, Kulturwirtschaft, Creative Cities u.v.m.,
Städte / Kommunen
Kommunen und Länder sind am besten erkennbar in der Kulturpolitik und im Kulturleben. Ausgangspunkt sind die Städte mit ihren Kultureinrichtungen und – angeboten. Sie sind für die Kunst- und Kulturakteure die ersten Ansprechpartner.
Regierungspräsidium
Die Regierungspräsidien als staatliche Mittelbehörde übernehmen zum Teil auch Kulturförderung im Bereich ihres Bezirks – im Auftrag des Landes.
Landesförderungen
Das Land unterhält eine ganze Reihe eigener Kultureinrichtungen, die
von den Städten, in denen sie sich befinden, zum Teil mitfinanziert
werden.
Das Land fördert Kunst und Kultur der Einrichtungen in den Städten
wenn die kulturelle Arbeit eine größere Ausstrahlung über die Stadt hinaus hat
oder wenn bestimmte inhaltliche Vorgaben erfüllt sind (z.B. Innovationsfonds Baden-Württemberg)
Der BUND fördert im Wesentlichen Kultureinrichtungen und Maßnahmen von nationaler Bedeutung, ist aber auch ausschließlich für die kulturelle Außenpolitik zuständig.
Diese Kunst- und Kulturstruktur ist sehr unterschiedlich zu anderen Länder. Warum ist das so?
Ein kurzer Blick auf die historischen Wurzeln dieser föderalen Struktur und entsprechendes Handeln bei Kulturpolitik und Kulturfinanzierung.
Historische Wurzeln der föderalen Struktur
Anders als die meisten europäischen Staaten hat Deutschland über Jahrhunderte aus vielen selbstständigen Feudalstaaten und Stadtrepubliken bestanden, die ihre eigene Kulturpolitik betrieben und eine Fülle von Kultureinrichtungen geschaffen hatten.
Die selbstständigen kulturellen Traditionen sind bei der Reichseinigung 1871 nicht nivelliert und zentralisiert worden. Die neue Reichsregierung erhielt eine Zuständigkeit für die kulturelle Außenpolitik und die Teilstaaten blieben für die eigene Kulturpolitik verantwortlich. Unterhalb dieser Ebene entwickelte sich eine besondere kulturpolitische Selbstständigkeit der Kommunen, ergänzt um ein ausgeprägtes bürgerliches Engagement für Kunst und Kultur.
In der Verfassung der Weimarer Republik (1919-1933) war die öffentliche Verantwortung für Kunst- und Kulturförderung auf die Reichsregierung, die Länderregierungen sowie die Stadt- und Gemeinderäte verteilt. Nach dem 2. Weltkrieg wurde vor dem Hintergrund des nationalsozialistischen Missbrauchs von Kunst und Kultur, aber auch als ausdrückliche Auflage der Alliierten wurde in der Bundesrepublik Deutschland die kulturpolitische Verantwortung des Staates von Beginn an sehr zurückhaltend interpretiert.
Das hat sich heute etwas geändert, wie ein Blick auf die Kulturausgaben Deutschlands zeigt. Hier hat sich in den letzten 20 Jahren eine Stärkung der Bundesebene herausentwickelt und eher eine stärkere Entwicklung auf der Seite der Kommunen, was das Ziel der dezentralen Kulturpolitik eindrucksvoll unterstreicht.
Doch schauen wir auf die rechtlichen Grundlagen in der Kulturpolitik und nehmen dabei alle politischen Ebenen in den Blick, um dann konkret zu sehen, wie Kulturpolitik gestaltet wird.
3. Rechtliche Grundlagen der Kulturpolitik - vom Grundgesetz bis zur Gemeindeordnung
à Infospaziergang
Welches sind die für Sie entscheidenden Paragrafen
Welche Grundlagen der Kulturpolitik gibt das Grundgesetz vor?
Kunstfreiheit
Autonomie der Länder und der GemeindenKunst und Kultur als eine der Aufgaben der Länder und Gemeinden
– d.h.: es gibt einen Wettbewerb der Aufgaben,
Was fällt auf bei den Landesverfassungen?
Was ist das Entscheidende an den Gemeindeordnungen?
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Allgemein: Gesetzliche Regelungen werden auf verschiedenen politischen
Ebenen festgelegt:
auf internationaler und bilateraler Ebene werden diese durch die europäische Gesetzgebungskompetenz ausgestaltet.
auf Bundesebene regelt das Grundgesetz die Kunstfreiheit (§ 5)
Allerdings gibt es bis auf § 5 Abs. 3 des Grundgesetzes, der die Freiheit von Kunst und Kultur aufgrund der Erfahrungen aus der Zeit des Nationalsozialismus explizit festlegt, keine rechtlichen Grundlagen auf Bundesebene.
Weitere Verfassungsrechtliche und gesetzliche Bestimmungen in Bundesgesetzen mit kulturellem Schwerpunkt sind z.B. das Urheber- und Künstlersozialversicherungsrecht, aber auch Steuerrecht). Beim Urheber- und Steuerrecht wird die nationale Gesetzgebung durch den europäischen Gesetzgeber bereits vorgeprägt. Bezüge zur Kultur haben auch einzelne Positionen der Gesetze zur Raumordnung, das Bundesbaugesetz oder Bundesvertriebenengesetz.
Ansonsten ist die Delegation der Aufgaben auf Gemeinden und Länder in den Artikeln 28 und 30 festgelegt.
Autonomie der Länder § 30
Die Länder, Rechtsnachfolger der Hoftheater und fürstlichen Sammlungen, haben deren Trägerschaft übernommen und diese als Landeseinrichtungen weiter geführt.
In den Landesverfassungen wird die Kulturzuständigkeit und - Verantwortung bekräftigt – eigene Akzente der Kulturpolitik sind erkennbar. (Beispiele aus NRW, Rheinland-Pfalz und BW).
Es gibt auch eine Reihe von Kulturfachgesetze auf Landesebene, zum Beispiel im Kinder- und Jugendhilfegesetz (Kulturelle Jugendbildung (in Baden-Württemberg regelt die Landesförderung der Musik- und Kunstschulen § 8 und 10), Raumordnungsgesetz und Bundesvertriebenengesetz, die sich auf (einzelne) kulturelle Belange beziehen“ (EK 2007, S. 56).
Rechte der Gemeinden GG § 28 und in § 2 der Gemeindeordnung BW § 1 GO, Begriff Gemeinde
Freiwillige und Pflichtaufgaben
Die Kultur ist den Gemeinden im Rahmen ihrer Zuständigkeit für die Angelegenheiten ihrer Gebietskörperschaft als eine Aufgabe zugewiesen. Allerdings unterscheidet der Gesetzgeber sogenannte Pflichtaufgaben und freiwillige Aufgaben, und die Kultur gilt in dieser Einteilung als freiwillige Aufgabe. Pflichtaufgaben, die oft auch mit weiteren gesetzlichen Vorgaben näher geregelt sind, genießen immer den Vorrang. Freiwillige Aufgaben sind weitgehend frei von weiteren gesetzlichen Vorgaben und räumen den Kommunen großen Gestaltungsspielraum ein. Das macht diese Aufgaben attraktiv, insbesondere in wirtschaftlich schwierigeren Zeiten, wenn die Einnahmen der öffentlichen Haushalte sinken und der Wettbewerb zwischen den verschiedenen Ausgabepositionen der öffentlichen, v.a. kommunalen Daseinsvorsorge (Straßenbau, Schwimmbäder etc.) steigt, besteht allerdings auch die Gefahr, bei den freiwilligen Aufgaben zuerst zu kürzen.
Gemeinderat
Die Erfüllung der Aufgaben auf der Ebene der Gemeinde ist das Recht und die Aufgabe des Gemeinderates (in bürgerschaftlicher Selbstverwaltung).
Mitwirkende an der Entscheidung des Gemeinderates sind darüber hinaussachkundige Bürger, die in Fachausschüsse mit hinzugewählt werden, hier können aus der Kulturszene Vertreter-, Vertreterinnen hinzukommen und ihre Positionen und Fachkenntnisse aus der Kulturszene heraus einbringen
Insbesondere auf Ebene der Städte sind auch andere Akteure des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens über Stadträte oder Kommunale Verbände indirekt oder direkt in die Meinungsbildungsprozesse eingebunden.
Das föderale Modell
Kulturpolitik in Deutschland basiert auf einem föderalen Modell - historisch gewachsen und verfassungsrechtlich bestätigt
Prinzipien Dezentralität, Subsidiarität und Pluralität
Kulturpolitik in Deutschland wird von den Prinzipien Dezentralität, Subsidiarität und Pluralität bestimmt.
Im Rahmen ihrer Zuständigkeit unterhalten Kommunen und Länder eigene kulturelle Einrichtungen und Angebote und fördern beziehungsweise unterstützen eine Reihe weiterer Kulturträger und -veranstaltungen.
Im Sinne des kooperativen Kulturföderalismus verhalten sich die verschiedenen politischen Handlungsebenen auf dem Gebiet der Kulturpolitik grundsätzlich komplementär zueinander. Gemeinsame Trägerschaften von Kultureinrichtungen und -aktivitäten sind ein Ausdruck dieses Bemühens (kooperativer Kulturföderalismus).
Dieses Konkurrenzprinzip stellt einen wesentlichen Motor aller Kultur- und Kunstaktivitäten im Rahmen des deutschen Föderalismus dar.
Prinzip der "Staatsferne
Kennzeichnend für die Kulturpolitik der Bundesrepublik Deutschland ist ferner das Prinzip der "Staatsferne" bei gleichzeitig hoher Gewährleistungs- und Finanzierungsverantwortung der öffentlichen Hand für die Unterhaltung von Kultureinrichtungen und -programmen.
Künstlerische Autonomie und Selbstverwaltungsrecht
Die Kunstfreiheitsgarantie des Grundgesetzes (Artikel 5 Abs. 3) begründet dabei nicht nur die künstlerische Autonomie und das Selbstverwaltungsrecht kultureller Einrichtungen und Organisationen bzw. deren Schutz vor inhaltlichen Direktiven und Reglementierungen des Staates.
Staatsauftrag, Kultur zu fördern
Als objektive Wertentscheidung für die Freiheit der Kunst wird sie auch als Auftrag an den Staat verstanden, diese aktiv zu fördern und zu unterstützen.
Die Bundesrepublik Deutschland versteht sich als ein Kulturstaat.
Großteil der kulturellen Infrastruktur in öffentlich-rechtlicher
Trägerschaft
Dieses "Kulturstaatsprinzip" – staatliche Förderung unter Beachtung der künstlerischen Autonomie – und eine vorwiegend angebotsorientierte
Kulturpolitik haben dazu geführt, dass ein Großteil der kulturellen Infrastruktur sich bis heute in der öffentlich-rechtlichen Trägerschaft der Städte und Länder befindet.
Finanzstruktur
Die föderale Struktur der Aufgabenverteilung in der Kulturpolitik spiegelt sich auch in den jährlichen Kulturausgaben wider. Der Kulturfinanzbericht 2020 weist folgende Zahlen aus:
Kulturausgaben insgesamt 11,4 Milliarden (2017)
Der Bund 1,9 Milliarden 17 %
Die Bundesländer 4,4 Milliarden 38,7 %
Die Kommunen 5,1 Milliarden 44,4
II. Kulturpolitik im Laufe der geschichtlichen Entwicklung Veränderungen – Konstanten – Herausforderungen
1. Unterschiedliche Akzente der Kulturpolitik im Laufe der geschichtlichen Entwicklung
Die folgenden Ausführungen können und wollen keine umfassende Analyse darstellen, sondern sind Schlaglichter auf die Entwicklung, um die Veränderung der Akzente und Positionen im Laufe der Jahrzehnte aufzuzeigen.
50er und 60er Jahre
Wiederaufbau der kulturellen Infrastrukturen, also der klassischen Institutionen, die Kulturpolitik blieb zunächst weitgehend auf die Förderung der traditionellen Kunstformen und Kulturinstitutionen beschränkt. Inhaltlich war das Angebot von der klassischen Literatur und Musik geprägt, sowie von den Autoren, die in der Zeit des Nationalsozialismus verboten waren.
Gelesen und gespielt wurden z.B. J. P. Sartre, P. Claudel, J. Giraudoux, T. S. Eliot, Th. Wilder und andere bisher unzugängliche europäische Literatur, aber ebenso deutsche bisher teils verbotene Autoren wie R. Schneider, B. Brecht, W. Bergengruen, W. Borchert u. a., die ihnen erstmalig zugänglich wurden.
60er Jahre
Erst im Zuge der gesellschaftlichen Modernisierung und der damit einhergehenden Jugend- und Bürgerbewegungen seit den sechziger Jahren erweiterten sich die Handlungsfelder der Kulturpolitik.
Entwicklung der Musikschularbeit (1952 begonnen) nimmt Fahrt auf 1966 gibt es bundesweit 136 Musikschulen im Bereich des Verbandes 1963 Gründung der „Bundesvereinigung kultureller Jugendbildung“ als Dachverband
Die BKJ ist ein Zusammenschluss von 42 bundesweit agierenden Fachverbänden und Institutionen und 14 Landesvereinigungen (u. a. Landesvereinigung Kulturelle Bildung Bayern) der kulturellen Kinder- und Jugendbildung. Vertreten sind die Bereiche Musik, Spiel, Theater, Tanz, Zirkus, Bildende Kunst, Literatur, Fotografie, Film und Video, Kindermuseen, neue Medien und kulturpädagogische Fortbildung.
70er Jahre
Mit der "Neuen Kulturpolitik" als Teil einer allgemeinen gesellschaftlichen Demokratisierung wurde in den siebziger Jahren der Gegenstand von Kulturpolitik auf das Feld der Alltagsaktivitäten ausgedehnt. Die Künste sollten möglichst allen Menschen zugänglich gemacht werden. Die Forderung nach der "Kultur für Alle" und nach dem "Bürgerrecht Kultur" führten in den siebziger Jahren zu einer erheblichen Ausweitung der kulturellen Aktivitäten, einem Ausbau der Kulturinstitutionen und zahlreichen neuen kulturellen Praxisfeldern, die mit wachsenden öffentlichen Mitteln gefördert wurden.
Soziokulturelle Zentren, Jugendkunstschule NRW, Kleinkunstbühnen, Jazz- und Filmclubs und Festivals der verschiedensten Musiksparten entstehen. Dem entsprach auch eine ständig steigende Nachfrage der Bevölkerung nach kulturellen Angeboten.
Texte: 1979 – Kultur in den Städten, Arbeitshilfe des Deutschen Städtetags
80er Jahre / „Gründerzeit Kultur“
In den achtziger Jahren wurde die Zielsetzung der reformorientierten Kulturpolitik mit der Zielsetzung „Kultur für alle“ der siebziger Jahre fortgesetzt.
Kultur galt als eines der wichtigsten gestalterischen Elemente von Politik, insbesondere auf kommunaler Ebene, so dass manche der in der Erneuerungsphase der 70er Jahre entstandenen kulturpolitischen Aktivitäten wie freie Theater oder soziokulturelle Zentren in den 80er Jahren noch zusätzliche finanzielle Förderung erfuhren.
Denn für viele Städte wurde die Kulturentwicklung ein Faktor der Stadtentwicklung und der Profilierung gegenüber anderen Städten. In der politischen Diskussion sprach man immer häufiger vom Wirtschafts- und Standortfaktor Kultur.
Texte: Stadt und Kultur (1986) und Kultur vor Ort (1987) Deutscher Städtetag mit entsprechenden Empfehlungen für die Städte
Auch darüber hinaus stiegen die Kulturausgaben von Bund, Ländern und Gemeinden im folgenden Jahrzehnt an, unter anderem in der Denkmalpflege und der Kulturverwaltung. Die auf einzelnen kulturellen Initiativen basierenden, in kleinem Rahmen angelegten Stadtteilfeste der Anfänge entwickelten sich zu großen aufwendig inszenierten Festivals.
Kultur hatte Hochkonjunktur: Innerhalb der zehn Jahre zwischen 1980 und 1990 stiegen die öffentlichen Netto-Ausgaben für kulturelle Angelegenheiten um mehr als 70 Prozent: von 5,96 Mrd. DM auf 10,26 Mrd. DM. Eine kritische Auseinandersetzung und Diskussion mit und über Kultur und kulturpolitischen Konzepten, wie sie die 70er und auch noch die frühen 80er Jahre prägte, trat in dieser Phase in den Hintergrund.
Wo in den 70er Jahren noch Zielsetzung und Richtungsweisung von Bedeutung waren, dominierte nun die Hinwendung zu einer rein pragmatischen Ausrichtung kulturpolitischer Aktivitäten. Die Begriffe verweisen auch sehr schön auf die Veränderung des Blicks auf die Kulturszene:
An die Stelle von Kulturpflege der 60er oder die Kulturarbeit der 70er Jahre trat mit Anwachsen der Kulturausgaben der Begriff von der Effizienz und Produktivität im Kulturbetrieb und Kulturmanagement. Bei der deutlichen Entwicklung wurde die Notwendigkeit der Qualifikation von Kulturmanagement gesehen, es ist aber auch Ausdruck der Akzeptanz dieser Tätigkeiten als komplexe Managementaufgabe. Die 80er Jahre standen ganz im Zeichen einer Ökonomisierung des Kulturbetriebes.
Kultur als Profil von Städten und Gemeinden, von Bundesländern, ja auch im Bund haben wir eine solche Bewegung gehabt. Ende der 80er und Anfang 90er – Gründung von Studiengängen Kulturmanagement (1987 an der Hochschule für Musik in Hamburg)
1990 Gründung Institut für Kulturmanagement Ludwigsburg
1990 Vorlage Kulturkonzeption Baden-Württemberg mit Ausbau-Perspektiven für Jugendkunstschulen in BW, der Popakademie u.a.
Die Wiedervereinigung der Bundesrepublik Deutschland (seit 1990) prägt dann in ihrer finanziellen Auswirkung auch das nächste Jahrzehnt.
90er Jahre
Die neunziger Jahre waren einerseits geprägt von der deutschen Einigung, die für die neuen ostdeutschen Länder durch die Übernahme der Verwaltungsstruktur der Bundesrepublik und das damit verbundene Kulturpolitikverständnis zu einer Umstrukturierung und einem teilweisen Umbruch der Kulturlandschaft geführt hat.
Andererseits wurden sie durch den Spar- und Konsolidierungsdruck der öffentlichen Haushalte sowie durch die vor allem bei den großen traditionellen Kulturinstitutionen offenkundig gewordenen strukturellen Probleme bestimmt.
Kulturmanagement und Kulturmarketing prägten die Diskussion Sponsoring der Kulturaktivitäten etabliert sich, Unternehmen nutzen gerne die Werbeplattform attraktiver Kulturveranstaltungen, Kulturakteure ergänzen ihre Budgets durch Sponsoring. Die finanziellen Effekte des Sponsorings sind aber nur bei öffentlichkeitswirksamen Veranstaltungsformaten interessant.
2000er
Im Vergleich zu den Veränderungen der 1990er Jahre stabilisierte sich in den ersten Jahren des folgenden Jahrzehnts die Kulturpolitik in Deutschland, hatte sich aber mit einer ganzen Reihe von Veränderungen in der gesellschafts-politischen Entwicklung auseinander zu setzen.
Bildungspolitik
Kultur- und finanzpolitisch gewinnt das Thema Bildung in den Städten deutlich an Gewicht. Ganztägige Schul- und Kita-Angebote, Mensabauten und Betriebe, nehmen die Aufmerksamkeit der Kulturpolitik und vor allem der Finanzpolitik in Anspruch. Die kulturelle Bildung muss in Folge des Ganztägigkeit der Kitas und Schulen teilweise neu ausgerichtet werden.
Die Zusammensetzung der Bevölkerung und damit auch die Nutzer der Kulturangebote verändern sich. Die Diskussion über den „demographischen Wandel auf der einen Seite, und die zunehmende Migrationsentwicklung prägen die Diskussion. Abnehmende Gesamtbevölkerung – mehr ältere Menschen – eine buntere Gesellschaft –
Wie reagieren Kulturakteure und die Kulturpolitik darauf?
Das Ende des Jahrzehnts bringt die Finanzkrise und ihre Auswirkungen auf die lokalen und regionalen öffentlichen Haushalte stellen weitere Herausforderungen für alle dar. Insgesamt wird immer mehr die kulturbetriebliche Optimierung gefordert, es geht darum, die wirtschaftliche Eigenkapitalquote zu erhöhen, die Institutionen wirtschaftlich effizienter zu führen und Mittel aus anderen Quellen wie Sponsoring, Mäzenatentum und Marketing zu steigern.
Auf der anderen Seite sind einige dieser Probleme struktureller Art und betreffen die konzeptionelle Grundlage der Kulturpolitik. Insbesondere erfordern die strukturellen Probleme eine Neujustierung des Verhältnisses zwischen Staat, Markt und Gesellschaft bezüglich der Finanzierung der kulturellen Institutionen, unter anderem durch Public-Private-Partnership-Modelle und eine stärkere Integration des bürgerschaftlichen Engagements (also wieder die Frage nach der Rollenverteilung der Akteure und ihrer Förderung).
Im Bereich des Kulturmanagements wird intensiv über Kulturmarketing, Besucherforschung, Audience Development gearbeitet. Das setzt sich in den 2010er Jahren fort, wird aber in der Praxis zu wenig beachtet.
Um eine Neuorientierung zu gewinnen und unter veränderten Bedingungen Schwerpunkte der Kulturpolitik zu beschreiben und eine neue Ausrichtung zu gestalten, werden in vielen Kommunen und auch in einigen Bundesländern Kulturkonzepte geschrieben (vgl. 2010 ff.)
2. Konstanten in der Kulturpolitik - Programmatische Leitlinien für Kulturpolitik, die allgemeine Gültigkeit erhalten haben
Inzwischen haben sich einige Konstanten in der Kulturpolitik herausgebildet, die wir als übergreifend anerkannte Grundlage betrachten dürfen.
Welche Positionen in der Kulturpolitik haben aus Ihrer Sicht heute eine Verbindlichkeit und Gültigkeit erreicht?
dazu auch unter Workshop-Ergebnisses. Im Folgenden sind noch einige Ergänzungen notiert.
Der Staat ist verantwortlich für das aktive Ermutigen, Fördern und aufrecht erhalten der künstlerischen Freiheit. Das ist eine wesentliche Grundlage, ein Kulturstaat zu sein.
Diese Kulturpolitik ist vom Grundverständnis eine fördernde.
Das heißt auch, dass die überwiegende Mehrheit der kulturellen Infrastruktur im Rahmen der öffentlichen Gesetzgebung stattfindet und vom Staat gefördert wird. Das sind im Wesentlichen die Kommunen und die Länder (vgl. II, 1)
Kulturpolitik wird in Deutschland verstanden als gesellschaftliche Aufgabe, die Kunst und Kultur ermöglicht, verteidigt und mitgestaltet: „Sie soll die in der Individualisierung angelegten Möglichkeiten persönlicher Freiheit im Sinne von Selbstentfaltung und Selbstverwirklichung unterstützen.Notwendig ist dafür eine plurale Kulturpolitik, die sich darum bemüht, das soziale und kulturelle Kapital aller Menschen zu stärken und ihm Anerkennung zu verschaffen“ (EK 2007, S. 51f.).
Kulturpolitik ist dabei nicht nur staatliche Angelegenheit, sondern sie bezieht in einem partizipativen Ansatz Kulturschaffende, Verbände, Unternehmen, Stiftungen, freie Träger und sonstige gesellschaftliche Akteure
Zu den programmatischen Leitlinien und Errungenschaften der Kulturpolitik der vergangenen Jahre mit Gültigkeit bis heute gehören z.B. (vgl. ausführlich hierzu Kulturpolitische Gesellschaft 2012, S. lff.):
- ein soziokulturelles Verständnis von Kultur, das die vorherrschende Orientierung an traditionellen Kulturwerten und die Fixierung auf Kunstwerke weitgehend überwunden und zu einem erweiterten Begriff von Kulturpolitik geführt hat;
- das „Bürgerrecht Kultur“ und „Kultur für alle“ sind zu weitgehend anerkannten Leitzielen kulturpolitischen Handelns geworden, haben zu einer Ausweitung des Kulturangebots und neuen kulturellen Tätigkeitsfeldern geführt und damit eine wachsende Teilhabe an kulturellen Aktivitäten hervorgebracht;
- die Notwendigkeit und Bedeutung der kulturellen Bildung, der Kulturarbeit mit Kindern und Jugendlichen und der sozialen Kulturarbeit ist inzwischen weitgehend anerkannt;
viele traditionelle Kultureinrichtungen wie Museen und Theater haben ihre konzeptionelle Starrheit überwunden, zeitgemäße Vermittlungsformen entwickelt und neue Bevölkerungsgruppen gewonnen;- frei-gemeinnützige Kultureinrichtungen und privatwirtschaftliche Kulturangebote bilden mit den staatlich getragenen Kulturinstituten eine neue vielgestaltige Kulturlandschaft, die ergänzt wird durch freiwilliges, bürgerschaftliches Engagement in der Kultur;
- die Grenzen zwischen traditionellen Kunsteinrichtungen und freien Kulturangeboten sowie zwischen Kultur und Unterhaltung, U- und E-Kultur sind durchlässiger geworden;
- viele Verbände und Netzwerke sind entstanden, um die Interessen der kulturellen Akteure zu formulieren und gegenüber der Politik zu vertreten;
- das Angebot an Aus- und Fortbildungsmöglichkeiten für kulturelle Praxis ist gewachsen;
3. Die Entwicklungen seit 2010 und aktuelle Herausforderungen
2010er
Nach der raschen Erholung der Finanzen entwickelt sich eine insgesamt sehr üppige und sich immer weiter ausdifferenzierende Kulturstruktur insbesondere in den Städten weiter.
Mit der Flüchtlingsbewegung 2015 rückt das Thema der interkulturellen Kulturarbeit noch einmal verstärkt in den Blickpunkt der Diskussion Event- und Festivalkultur Die Gestaltung vieler Kulturaktivitäten im Sinne eines Events setzt sich fort, zahllose Festivals werden ins Leben gerufen, die Sommermonate als neuer Kulturzeitraum werden zunehmend durchgestaltet. Kultur füllt Nischen, trägt dazu bei, das Leben in den Städten und Regionen auch in den Sommermonaten attraktiver zu gestalten.
Die Verbindung zur Attraktivitätssteigerung für Städte und Regionen insbesondere auch für Gäste lässt die Kultur auch als Kulturtourismus sich immer weiterentwickeln.
Die Festivalkultur dringt dabei auch in zahlreiche ländliche Regionen vor.
Kultur als Faktor der Regionalentwicklung wird zum Thema in den ländlichen Räumen (in den 80ern für die Städte entdeckt).
Stabile Finanzen in den meisten Städten, Gemeinden und Bundesländern lassen Fragen nach konzeptionellen Erneuerungen in den Hintergrund treten.
Mit der Einführung der ganztägigen Schule wurde das Thema der Positionierung der kulturellen Bildung aufgerufen.
Eine neue Aufgabenverteilung zwischen Länder gesteuerten Schulen und kommunal finanzierten außerschulischen kulturellen Bildungsangeboten wird nicht wirklich erreicht.
Es gibt viele gute und pragmatische Ansätze in den Kommunen, ein chancengleiches Angebot, das alle Kinder erreicht, wird nicht entwickelt. Darauf reagiert unter anderem die Publikation Der Kulturinfarkt 2012. Mit Erscheinen dieses Buches wird die Kulturlandschaft kurz aufgerüttelt, führt aber weder zu einer Veränderung, noch zu einer nachhaltigen Diskussion. (die Rahmenbedingungen waren für die Kulturpolitik, wie sie ist, einfach zu gut). Der Druck war aus meiner Sicht einfach nicht groß genug, um gewachsene Interessen innerhalb der Kulturlandschaft, Abgrenzungen und Zuständigkeitsansprüche zwischen Kultur, Sozialem, Bildung oder gar Stadtplanung und Stadtentwicklung Rollenverteilungen zwischen den politischen Ebenen von der Gemeinde, Stadt bis zum Land oder Bund zu verändern oder neu auszusteuern.
Veränderungen wurden als Kompromiss dann zusätzlich finanziert, es war ja machbar.
Neue konzeptionelle Prozesse
Gegen Ende des Jahrzehnts: einzelne Länder und Städte wagen neue Prozesse, um Anhaltspunkte für die künftige Gestaltung der Kulturpolitik zu gewinnen. Baden-Württemberg Dialog Kulturpolitik für die Zukunft Kultur im ländlichen Raum wird als Thema der Kulturpolitik langsam entdeckt. Weitere Themen sind die Digitalisierung und Transformation – ein Generationswechsel und der Anspruch der Kulturbetriebsentwicklung hinein in die neue Zeit.
Ein weiteres wichtiges Thema des Prozesses waren auch Neue gesellschaftliche Bündnisse – hatten wir in den 90er Jahren schon einmal, war aber im Zuge einer nicht mehr notwendigen politischen Stabilisierung der Kulturarbeit wieder in Vergessenheit geraten.
2020er
Zwangspause - Zwangsdenkpause?
Mit der Pandemie werden kulturpolitische Defizite, Unkenntnis und
Geringschätzung als „entbehrlich“ zu Tage gefördert.
Die Lockdown-Zwangspausen waren vielleicht auch sinnvoll, um aus einem etwas atemlos gewordenen Festivalbetrieb Kultur neuen Schwung für einen Neustart zu gewinnen, aber auch zu überlegen, wie man sich in einem doch sehr veränderten Umfeld nach der Pandemie neu aufstellt.
Anschließend Diskussion:
Welche Schwerpunkte für die Kulturpolitik wollen wir heute setzen?
Erste Sammlung, später kann man die Punkte konkret in die
Diskussion für die Stadtpolitik einbringen
Evtl.: Welche Ziele verfolgt Kulturförderung, sollte sie verfolgen – und was folgt
dann daraus?
III. Kulturpolitik und Kulturförderung in der Kommune Faktoren – Möglichkeiten – Perspektiven
Im dritten Teil des Workshops wurden von den Teilnehmern und Teilnehmerinnen vor dem Hintergrund der Kulturpolitischen Grundlagen die Frage nach der Weiterentwicklung der Kulturförderung aus verschiedenen Perspektiven heraus diskutiert.
Die Diskussion in vier Gruppen erfolgte nach den Fragestellungen.
1. Kulturpolitik in der Kommune im Kontext der gesamten gesellschafts- und wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen
Welche Faktoren der Stadtentwicklung sind auch für die Kultur wichtig?
2. Strukturen der Kulturpolitik und Kulturförderung – zentrale Aufgaben der Kulturpolitik in der Kommune
Welche Möglichkeiten und Macharten gibt es, Kulturförderung zu betreiben
3. Austausch über Ziele im Dialog der Stadtpolitik- und Verwaltung mit der Kunstszene Was erwartet denn die Stadt von der Kulturszene? Was erwartet die Kunst- und Kulturszene?
4. Neue gesellschaftliche Bündnisse, Transformation, Digitalisierung und weitere Themen
Welche Entwicklungen und Rahmenbedingungen sind für eine zukunftsgerichtete Kulturpolitik und Kulturförderung wichtig?
Die Ergebnisse sind separat dokumentiert.
Quellen:
Enquete-Kommission Schlussbericht der Enquete-Kommission „Kultur in Deutsch
land“, 2007
Glaser, Hermann Deutsche Kultur 1945 – 2000, München, Wien 1997
Hausmann, Andrea, Kunst- und Kulturmanagement, 2. Aufl. Wiesbaden 2019
Hoffmann, Hilmar: Kultur für alle, Perspektiven und Modelle, Frankfurt 1979
Scheytt, Oliver Kulturstaat Deutschland, Plädoyer für eine aktivierende Kulturpolitik, Bielefeld 2008
Programm der Kulturpolitisches Gesellschaft 2012, Stand November 2018
Wagner, Bernd Kulturpolitik in der Bunderepublik Deutschland, Deutsches Musikinformationszentrum 2007