Archiv: Medien für die sprachliche Bildung und Literacy
Bücher und Bilder, Spiele und Töne motivieren Sprache, Gefühle und Gedanken.
Sylvia Näger bespricht für Sie Bücher, Spiele und audio-visuelle Medien, die Sie in Ihrer sprachlichen Bildungsarbeit, Sprachförderung und Literacyerziehung unterstützen. Die monatlich erscheinenden Rezensionen bieten Ihnen eine fundierte Besprechung der ausgewählten Titel und zeigen den Bezug zur sprachlichen und literarischen Bildung auf.
Das größte Geschenk der Welt (Dezember 2018)
oder: Weihnachtswünsche von Hunden und Menschen
Gescheckt, mit oder ohne Schlappohr, mächtig oder schmächtig - ganz egal wie unterschiedlich Hunde daherkommen, auch sie lieben es, unter ihresgleichen zu sein. Und so erzählt dieses Bilderbuch aus dem Leben von neun bestens befreundeten Hunden und ihrer Vorfreude auf Weihnachten. Micha, Pedro, Popow, Zaza, Kaki, Jane, Omar, Nono und Alex tragen ihre Nikolausmützen und haben es sich im Wohnzimmer gemütlich gemacht. In rotem Bettzeug kampieren sie am geschmückten Weihnachtsbaum und machen sich Gedanken darüber, ob ihre Weihnachtswünsche wohl in Erfüllung gehen werden. Die Sprechblasen verraten: Popow wünscht sich eine Musikmaschine, Zaza will ein Feuerwehrauto.
Weitere Wünsche sind eine gelb getigerte Katze und eine Rakete, eine Schaukel, ein Pferd… Micha, der Allerkleinste, aber schlägt alle Wunschvorstellungen. Er möchte das allergrößte Geschenk der Welt, worauf Jane entrüstet ruft: “Haha, der spinnt ja.“ Schließlich knipst Kaki das Licht aus und alle schlafen und schnarchen sich durch die Nacht.
Am nächsten Morgen aber ist die Hundebande verwirrt und ziemlich entrüstet. Nichts, aber auch gar nichts liegt unterm Tannenbaum. Hat man sie vergessen? Warum wurden ihre Wünsche nicht erfüllt? Da aber entdeckt Popow bei einem Blick aus dem Fenster: „Das größte Geschenk der Welt“. Und es ist nicht für Micha, sondern wie der Geschenkanhänger verrät, für alle gemeinsam.
Der vollständige Gag dieser Überraschung soll hier nun nicht verraten werden, denn den Charme dieser Bescherung sollte man doch beim Blick ins Buch und gemeinsam mit dieser Bande erleben.
Anregungen für die Praxis und zum Nachsinnen
- Dorothée Monfreid erzählt in ihren Geschichten aus dem Hundekosmos Alltagssituationen. Im Comic-Stil farbkräftig gezeichnet bestechen sie durch Situationskomik und viel Humor und Augenzwinkern. Kinder identifizieren sich unschwer mit dieser individuellen Hundemeute, da ihnen deren Erlebnisse aus ihrem ganz normalen Kinderleben bekannt und nachvollziehbar sind. Der Text der Comic-Sprechblasen erzählt in kurzen und prägnanten Aussagen und Kommentaren. Diese Gestaltung regt das dialogische Bilderbuchlesen intensiv an, und übers Wünschen, Wunscherfüllungen und Feiern zu sprechen ist ein Gesprächsmotor für fast alle Kinder.
Kinder lieben auch die Rückseite des Buches, auf der die gesamte vierbeinige Mannschaft im Tannenbaum sitzt und mit Namen vorgestellt wird. So kann man unschwer zu jedem Hund einen Steckbrief entwickeln: was isst er gerne, was ist seine Lieblingsfarbe, welche anderen Tiersprachen spricht er etc. Versehen mit einer Zeichnung oder einem aus einer Kopie ausgeschnittenen Konterfei entstehen mühelos interessante Hundeportraits.
Letztendlich taugt dieser „Geschenkband“ durchaus zur ganzjährigen Betrachtung, da er das immer aktuelle Thema Wünsche und ihre Erfüllung am Beispiel einer weihnachtlichen Situation aufgreift. - Geschenke - die Sehnsucht der Kinder - sind auch die Sehnsucht dieser Vierbeiner im Bilderbuch. "Alle Jahre wieder..." erleben Kinder und Erwachsene Weihnachten zwischen christlichem Festgeheimnis und Kommerz.
Jedes Fest entspringt aus einer Sehnsucht und ruft Sehnsüchte wach. Wenn es gelingt, schießt es sozusagen über den Alltag hinaus. Beim gemeinsamen Essen geht es um mehr als um Sättigung, beim Singen und Musizieren um mehr als Zeitvertreib. Wir sollten uns zu Weihnachten nicht das schenken, was gebraucht wird, sondern was Freude macht. Die neun Hundefreunde geben somit nicht nur im Dialog mit den Kindern die Gelegenheit, über Ersehntes und Gewünschtes zu sprechen. Darüber hinaus offeriert dieser Bilderbuch-Comic erwachsenen Lesern, darüber nachzusinnen, wie sich die Bedeutung des Weihnachtsfestes zeigt, das sich als Brauch über Jahrhunderte erhalten hat und auf vielfältige Weise kulturell überprägt wurde. Denn so locker der Bilderbuchcomic wirkt, so deutlich zeigt er die Konsequenzen der Weihnachtsbotschaft für das Miteinander und Zusammenleben.
Mit dem Blick auf das Erleben einer Hundebande, gibt „Das größte Geschenk der Welt“ Perspektiven für ein Weihnachten, das für Menschen und nicht für den Mammon gedacht ist.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, ein frohes Weihnachtsfest
unter guten Sternen.
Dorothée de Monfreid: Das größte Geschenk der Welt
Aus dem Französischen von Ulrich Pröfrock
24 Seiten, 14 Euro, ab 3 Jahren
Berlin: Reprodukt 2018, 24 Seiten | € 14,- | ab 3
Sylvia Näger, Freiburg;
Diplom-Medienpädagogin. Dozentin in der Aus-und Fortbildung von Grundschullehrenden, Erzieherinnen und Bibliothekaren. Lehrtätigkeit in den Bereichen sprachliche Bildung, Literacy, Kinder- und Jugendliteratur, Lyrik und Medienpädagogik.
Langjährige Herausgeberin der Edition „Bilderbuchkino” und Autorin pädagogischer Fachbücher.
SorTIERbuch (November 2018)
Ordnungsstrukturen für ein tierisches Durcheinander
Sofort auf der ersten Doppelseite tauchen alle auf, die in diesem Bilderbuch mitmachen: Eine Schar ziemlich kleiner Tiere, mit Feder und Tusche zu Papier gebracht und mit ein paar Tupfen Farbe versehen. Jedes Wesen etwas eigen und witzig, zeigt sich die tierische Bagage im kunterbunten Durcheinander unterwegs: auf vier und mehr Beinen, mit Federkleid, Flossen und Tentakeln. Da gibt es eine kleine Schlange, einen blaugestreiften Fuchs, ein gepunktetes Nilpferd oder ein Kamel mit einem gelben und einem grünen Höcker.
Die wuseligen Tierwesen sind das Markenzeichen von Ann Cathrin Raab, die Mitglied der Illustratorengruppe „Die Krickelkrakels“ ist. Ann Cathrin Raab taucht im „SorTIERbuch“ ein in die Welt kindlicher Phantasien und betrachtet ihre gestalterischen Schöpfungen unter dem Blickwinkel: „Wir waren alle mal Kinder, es macht halt Spaß. Es geht darum zu lernen, den Kopf auszuschalten und die Sachen passieren zu lassen. Die Ideen kommen einfach so.“
Mit leichtem Krakelstrich gezeichnet erinnern die zweidimensionalen Figuren einerseits an Kinderzeichnungen, anderseits an Karikaturen.
Jedenfalls sehen wirklich alle gutgelaunt aus und befolgen, was der Vorleser anweist: „Bitte einmal schön hintereinander aufstellen.“ Und punktum zeigen sich die Tiere auf der zweiten Doppelseite in einer Schlange sortiert, die sich schön gewunden über die großformatige Doppelseite schlängelt. Der Leser oder Vorleser erzählt in diesem Buch keine in sich geschlossene Geschichte sondern erteilt den Tieren auf jeder Seite eine neue Anweisung: „Alle in die Mitte!“. „Und jetzt mal alle nach links.“ „Und nach Anzahl der Beine“. Die Kinder hören zu, beobachten, wie die Tiere den Anweisungen folgen, und entdecken, wer durch seine besonderen Eigenarten abweicht oder Eigensinn zeigt. Wie etwa der Hase, der sich seiner langen Ohren wegen in die Gruppe derer schummelt, die fliegen können.
Immer agieren die sympathisch wimmelig auftretenden Winzlinge und sortieren sich von Seite zu Seite nach den angesagten Kategorien. So begeistert sie auf der ersten Seite in das Buch hineinstürmen, rennen sie schließlich auf der letzten Seite wieder aus dem Buch hinaus.
Seinen künstlerischen Charakter zeigt dieses Sprache und Bewegung anregende Buch, indem es zum Raum wird, in dem die witzigen Geschöpfe sich handelnd und wandelnd im Sinne der jeweiligen Ordnung bewegen. Ein Bilderbuchformat, das Kindern extrem viel Unterhaltung und Spaß bereitet und wohlempfundene Leseerlebnisse beschert.
Anregungen zur Anschlusskommunikation
- Ordnen, Sortieren, Kategorien schaffenDie Ordnungen, die die Arten- und Formenvielfalt im Tier- und Pflanzenbereich einteilen, zählen meist zu den ersten wissenschaftlich systematisierten Ordnungsstrukturen, die Kinder kennenlernen. Die biologische Systematik unterteilt das Tierreich nach Gruppen und Familien, die gemeinsame Körpermerkmale haben. Die beiden Hauptgruppen sind Wirbellose (ohne Wirbelsäule) und Wirbeltiere (mit Wirbelsäule). Wenn Kinder z. B. Spielzeugtiere auf ihre individuelle Art sortieren, dann präsentiert sich das Tierreich vielleicht in folgender Ordnung: Lieblingstiere, Tiere die fliegen oder nicht, Tiere die im Zoo zu sehen sind, Tiere die niemand gerne hat, Tiere die Punkte haben, Tiere, die.... Kinder erfahren dabei, dass Ordnungen immer durch entscheidende Unterschiede und große Gemeinsamkeiten entstehen. Ordnen und Sortieren zählt außerdem zu den Vorläuferfähigkeiten, die mathematisches Wissen anbahnen.
- Kopieren Sie die Seite, auf der sich die Tiere der Größe nach aufstellen, auf mittelstarken Karton und schneiden Sie Kärtchen aus, auf denen jeweils ein Tier abgebildet ist.
Diese Kärtchen ermöglichen in der Anschlusskommunikation zum Buch reichlich viel sprachintensive Spielmöglichkeiten:
- Sie taugen doppelt kopiert und ausgeschnitten zum Memoryspielen
- Sie ermöglichen den Kindern neue Sortierkategorien zu finden und zu realisieren. Beispielweise: Alle Tiere, die gelb sind, stellen sich hintereinander auf, dann folgen die roten, blauen etc.
- Sie dienen als Ausgangspunkt zum Sprachbasteln lyrischer Zweizeiler: „Es war einmal ein Hase, der stieß sich an die Nase. Es war einmal ein Löwe, der liebte eine Möwe.“ Etc.
Fortgeschrittene Reimemeister basteln Vierzeiler: „Es war einmal ein Krokodil, das saß vergnügt am blauen Nil. Ein Nilpferd sagte zu ihm: „Du ehrlich, sag bist du wirklich so gefährlich?“ - ▪ Das besondere Konzept des SorTIERbuchs eignet sich wunderbar zum Nachspielen.
- So wie Käfer und Regenwurm, Krebs und Mäuschen sich im Buch sortieren, können sich die Kinder aus einem wuseligen Knäuel, nach den vom Vorleser angesagten Kategorien hintereinander aufstellen, von der rechten Seite eines Raums auf die linke wechseln und umgekehrt, oder sich jeder einen Partner suchen.
- Sich, wie die Tiere im Buch, nach Farben oder Anzahl der Beine zu sortieren wird für die Kinder realisierbar, indem sich jedes Kind ein Kärtchen zieht und entsprechend der Abbildung zuordnet.
In dieser Anschlusskommunikation erleben die Kinder handelnd Präpositionen, Zahl- und Mengenbegriffe. - Sammeln Sie mit den Kindern die Wortbezeichnungen für die Tiere und schreiben Sie diese Bezeichnungen neben die Illustrationen. Geeignet ist dafür eine Farbkopie der Seite, auf der die Tiere einen Kreis bilden.
Ann Cathrin Raab: SorTIERbuchWuppertal: Peter Hammer 2018, 32 Seiten | € 16,- | ab 3
Sylvia Näger, Freiburg;
Diplom-Medienpädagogin. Dozentin in der Aus-und Fortbildung von Grundschullehrenden, Erzieherinnen und Bibliothekaren. Lehrtätigkeit in den Bereichen sprachliche Bildung, Literacy, Kinder- und Jugendliteratur, Lyrik und Medienpädagogik.
Langjährige Herausgeberin der Edition „Bilderbuchkino” und Autorin pädagogischer Fachbücher.
Das grosse Fahrradfest (Oktober 2018)
Eine Erzähl- und Entdeckungstour durch phantastische Radlwelten
In Radhausen steht Großes an, am Abend soll das große Fahrradfest steigen. Das Festkomitee sitzt stilecht auf einem fünfsitzigen Fahrrad und grübelt, wie dieses spezielle Event zu deichseln ist. Auf der Gästeliste stehen der Eisbär mit seinem Gelati-Rad, die kluge Eule mit ihrem schicken Büchermobil, Familie Hase, kinderreich und wuselig mit einem extralangen Transportfahrrad, und viele weitere illustre Gäste mit ebenso illustren Fahrradtypen.
Auf den nächsten Doppelseiten des großformatigen Bilderbuchs wimmelt es kräftig und unterhaltsam in den Bildern, unzählige Radhausener sind mit Zweirädern oder Mehrrädrigem im Alltag unterwegs. Sie bewegen sich kreuz und quer durch die traumhaft autofreie, phantastisch fahrradfreundliche Stadt, und die lesenden Kinder folgen ihnen begeistert. Intensiv tauchen Kinder in die detailreichen, phantasiesprühenden Szenen ein und betrachten kommentarfreudig und hochinteressiert eine Wimmelseite nach der anderen. Im Gemenge entdecken sie das Faultier, bekannt für extralangsame Umzüge, die Meise mit dem dynamischen Stiefelrad, den Laden für Fahrradtaschen aller Art oder den Händler, der Elektroräder für alle Tiere und alle Größen anbietet. Am Bahnhof steht ein Rikscha-Taxifahrer und wartet auf Kunden, die Kinder aus der Kita sind mit dem praktischen mehrsitzigen Busrad unterwegs zum Spielplatz. Auf vielen Wegen und Straßen kutschieren Eltern mit abenteuerlich familienfreundlich ausgerüsteten Fahrrädern ihre Kinder durch die Gegend. Wer Hunger hat, fährt bei den Imbissrädern vorbei, holt sich Gouda beim Käserad, ein mit Tretkraft gemixtes Radler-Smoothie oder ein frisches Käfersandwich.
Mittendrin im Gewühle bewegt sich der Bürgermeister und sucht die vorgestellten Gäste, um ihnen persönlich die Einladung zu überreichen. Kurze Texte informieren, wer jeweils gesucht wird. Dadurch sind die Betrachtenden aktiv eingebunden und helfen tatkräftig mit, diese Suchaufgaben zu lösen. Vorbei am Kanal und an der Fahrrad-Zirkusschule blättert man sich so zum großen Platz, an dem am Abend der Fahrrad-Festzug beginnt. Der zeigt sich in phantastisch illuminierter Atmosphäre und entpuppt sich als kreatives und inspirierendes Gesamtkunstwerk, an dem Karl Drais, der Erfinder der ersten Laufmaschine, seine allergrößte Freude gehabt hätte.
In Sprechblasen gefasste Texte setzen Kommentare und Aussagen der radelnden Bewohner ins Bild und geben Impulse für Gespräche. So ist das gemeinsame Eintauchen in die Radhausener Wimmelwelten unschwer mit dem dialogischen Betrachten der Bilder zu verbinden. Diese bildstarke Welt der Drahtesel, Muskelkraft- und Pedalhelden lebt von ihrer technischen Raffinesse und üppigen Phantasie. Beides verzaubert Kinder, und sie versinken mit Hingabe und Begeisterung in dieses rauschende Fahrrad-Festbuch.
Anregungen zur Anschlusskommunikation
- Die speziellen Radtypen, die in Radhausen unterwegs sind, haben vielfältige Bezeichnungen. Wenn Sie sich diese aneignen, bereichern Sie die dialogische Bilderbuchbetrachtung ungemein. Kopieren Sie das Vorsatzpapier vergrößert und schreiben Sie in großen Druckbuchstaben die Bezeichnungen der Räder unter die Abbildungen. Für schriftinteressierte Kinder ist das ein idealer Anreiz dazu, die Namen selbst zu schreiben.
- Sammeln Sie mit den Kindern Worte rund ums Wortfeld Fahrrad (Velo, Radl): Rahmen, Sattel, Lenker, Bremse, Pedale, Felgen, Speiche, Ventil, Reifen, Schaltung, Kette, Zahnräder, Zahnkranz, Nabe, Beleuchtung, Klingel, Fahrradtasche, Luftpumpe etc.
Verwenden Sie dazu ein reales Fahrrad und recherchieren Sie zusätzlich in Sachbüchern und im Netz. - Das Faultier führt den Laden „Zickzackdideldum Räder - Elektro-Räder für alle Tiere und alle Größen“. Aus einem Karton basteln die Kinder den Laden, in dem dann Räder verkauft werden, die im Bilderbuch zu finden sind. Siebenundzwanzig Modelle, vom Kinderrad-Nachläufer über das Wasserfahrrad bis zum Handbike mit Handkurbel sind auf dem Vor- und Nachsatz des Wimmelbuchs abgebildet.
- Diese werden auf mittelstarken Karton kopiert und ausgeschnitten. Die diversen Räder werden im Laden aufgestellt, indem sie in einen kleinen aus Knet hergestellten Standfuß gesteckt werden.
- Die Kinder suchen sich ihr Lieblingsrad aus und beschreiben, was an ihm besonders ist und für wen es sich eignen könnte. Diese Beschreibungen werden mit einem Recorder aufgenommen und im Laden abgespielt.
- Im Spiel kommen die Kunden in den Laden, hören sich die Beschreibungen an und informieren sich im Verkaufsgespräch über die Räder. - Im Park wird eine Gruppe Tierkinder im typisch holländischen Lastenfahrrad dem „backfiets“ spazieren gefahren. Aus der Radkiste klingt das Sprachspiel „Em pom pie kolonie, kolonastik…“
Das Klatschspiel wird gemeinsam mit den Kindern gesprochen, sodass diese sich den Text aneignen und eine Abfolge von Klatschbewegungen festlegen.
„Wir sagen nonono
Wir sagen sisisi
Wir sagen no
Wir sagen si
Wir sagen:
Em pom pie Kolonie Kolonastik
Em pom pie Kolonie
Akademi
Safari
Akademi puffpuff!“
- Bundesweit finden vielfältige Fahrradfeste statt. Warum diese Idee nicht einmal aufgreifen und im Team darüber nachsinnen, wie ein solches Ereignis in der Kita zu realisieren wäre?
Anregungen liefern die Seiten, die Sie im Netz finden (Stichwort Fahrradfest eingeben) und natürlich der absolute Festzug in Radhausen!
Alison Farrell: Das grosse FahrradfestHildesheim: Gerstenberg 2018, 40 Seiten | € 16,95| ab 4
Sylvia Näger, Freiburg;
Diplom-Medienpädagogin. Dozentin in der Aus-und Fortbildung von Grundschullehrenden, Erzieherinnen und Bibliothekaren. Lehrtätigkeit in den Bereichen sprachliche Bildung, Literacy, Kinder- und Jugendliteratur, Lyrik und Medienpädagogik.
Langjährige Herausgeberin der Edition „Bilderbuchkino” und Autorin pädagogischer Fachbücher.
Sprache geht durch die Hände (September 2018)
CD Finger spielen - Hände tanzen
Klangvolle Sprache und Bewegung gehören zusammen wie Topf und Deckel. Da beides so ungemein entwicklungsfördernd und sprachbildend ist, lohnt es sich, tagein tagaus Momente zu sichern, in denen Kinder Sprache und Bewegung als Einheit erleben. Damit die Lust, mit Sprache und Hand zu spielen, erhalten bleibt, bedarf es ab und an einer Erweiterung des persönlichen Text- und Spielwissens. Dazu und zu äußerst lustvollen Spracherlebnissen trägt diese CD bei.
Dorothée Kreusch-Jacob beweist durch ihre trefflich zusammengestellte und klangvolle Auswahl, dass bewegte Hände und Finger eine Menge abwechslungsreichen Spiel- und Singstoff und damit auch eine wichtiges Fundament für die Sprachförderung im Alltag bieten.
Mit dem rhythmisch sehr ansprechenden und entspannten Titellied „Wieviel Finger hat die Hand?“ wird frisch-munteres Klima für „Handsalat“, „Fingertanz“ und weitere Spielereien geschaffen. Bären, Gespenster, Reiter und andere geschichtentragende Figuren schaffen die Atmosphäre für zappelnde und krabbelnde Finger, für klatschende und patschende Hände. Alle Melodien und Texte kreisen um Gefühle und Stimmungen kindlicher Bewegungsfreude.
Musikalisch vielseitig interpretierte und trotzdem einfache Melodien, bildhafte Geschichten und Texte sorgen dafür, dass Kinder diese Lieder leicht mitsingen und die Verse umsetzen können. Die Bewegungsabläufe ergeben sich aus den Texten und den eigenen Phantasien der großen und kleinen Spielerinnen. Ausdrucksvoll artikulierte Kinder- und Erwachsenenstimmen sowie eine niveauvolle musikalische Inszenierung animieren zum bewegten Mitsingen, Nachsprechen und Selbersprechen.
Wenn dann „Zwickelzwack und Daumendick“ dafür sorgen, dass selbst Ungeübte von der Lust am Fingerspiel und an Gesten gepackt werden, dann ist die Freude und der Spaß am Zusammenspiel von Bewegung und Lied perfekt.
Diese liebenswerten und musikalisch sorgfältig bearbeiteten Spiellieder und Verse bieten eine thematisch hochkarätige Sammlung für genussvolle händische und sprachspielerische Aktivitäten. Der Philosoph Carl Jaspers bezeichnet die Hand als „ein Werkzeug des Denkens“, Dorothee Kreusch Jacob benennt ihre Handspiellieder und Krabbelverse als „…poetische Kinkerlitzchen, die so ganz nebenbei große Wirkungen haben. Auf die Differenzierung der Sprechwerkzeug ebenso, wie auf die sprachliche Fantasie, auf akustisches Wahrnehmungsvermögen wie Psychomotorik.“ Genug Gründe, dieses mit Musik- und Medienpreisen ausgezeichnete Standardwerk in den pädagogischen Alltag einzubinden.
Zum Einsatz der CD
Das der CD beiliegende booklet bietet durch die folgende Einteilung Anregungen und Gedanken zur Umsetzung:
- Kitzelige Kinkerlitzchen: das sind hautnahe Entdeckungsreisen, an deren Ende das gemeinsame Lachen und der Wunsch „noch einmal“ stehen. Viele Male „noch einmal“ bewirken, dass die Verse von den Kindern ganz allmählich nachgesprochen werden.
- Als die Finger Namen kriegten: hier sind Fingerspiel-Geschichten mit Gespenstern, Riesen, Wassermännern und Zwergen zu hören und Selber-mit-spielen.
- Handmärchen sind gereimte Geschichten, die mit Fingern und Händen erzählt werden.
- Im Fingertheater verwandeln sich die Hände in Fantasiewesen und Schatten.
Allerlei Handspielereien fordern auf: „Alles was Hände hat, ob große oder kleine, kann mitspielen und die Hände auf den Tisch legen.“
- Hörmedien pädagogisch reflektiert zu nutzen verlangt, die CD wiederholt selbst zu hören und die Wirkung und den Gehalt der einzelnen Textgebilde und den damit verbunden Bewegungen bewusst zu reflektieren. Danach werden einzelne Tracks der CD ausgewählt und beispielsweise im Morgenkreis eingesetzt. Nach der Einführung und wiederholten Verwendung der Texte und spielerischen Bewegungsabläufe steht die CD den Kindern zur Verfügung und sie können diese selbstbestimmt im Alltag anhören. Die Gleichzeitigkeit des realen und medialen Erlebens ermöglicht den Kindern, sich die Texte zu erobern und so anzueignen, dass sie diese selbst sprechen können. Die Qualität der sprachlichen Gestaltung dieser CD bietet Kindern ein Sprachvorbild, an dem sie sich in ihrer Aussprache und Prosodie orientieren und entwickeln können.
Dorothée Kreusch-Jacob: Finger spielen - Hände tanzen. Handspiellieder und KrabbelverseBerlin: Sauerländer Audio/Argon 2018 | CD 41 Minuten | € 12,95| ab 2
Sylvia Näger, Freiburg;
Diplom-Medienpädagogin. Dozentin in der Aus-und Fortbildung von Grundschullehrenden, Erzieherinnen und Bibliothekaren. Lehrtätigkeit in den Bereichen sprachliche Bildung, Literacy, Kinder- und Jugendliteratur, Lyrik und Medienpädagogik.
Langjährige Herausgeberin der Edition „Bilderbuchkino” und Autorin pädagogischer Fachbücher.
Wie du bist, wenn du so bist…(August 2018)
Ein eindrückliches (Mit-)Gefühlsbuch
Gute Freunde sind sie, der Kuschelhase und das kleine Mädchen. Aber nicht immer. „Ich zeig dir mal, wie das ist, wenn du so bist“, sagt er. Wir sehen das nicht sehr soziale Verhaltensrepertoire von alltäglichen Gemeinheiten, zu denen Kinder fähig sind, wie dies auf das Gegenüber wirkt, was das mit ihm macht. Einmal darf der kleine Hase nicht mitspielen, dann wird er verhöhnt, weil er in seiner Pippi-Pfütze hockt. Es steht ihm ins Gesicht geschrieben, was er fühlt.
Jeder aber ist nicht nur gemein, sondern kann auch anders – und wie fürsorgliches und fröhliches Miteinander aussieht und wieviel Wohlgefühl dabei entstehen kann, das ist die andere Seite, die uns dieses Buch mit seinen facettenreichen Protagonisten ganz einfach so vermittelt.
Ein Schatzkästchen, das Gefühlswelten zeigt, emphatische Blickwinkel ermöglicht und Gefühlswörter verständlich werden lässt. Ein charaktervolles Buch, dessen ausdrucksstarke Bilder Kinder auf anregende Art mit der Bandbreite von Verhaltensweisen und Empfindungen konfrontieren.
Anregungen zur Anschlusskommunikation
Geschichten und Bilder regen an, uns in die Gefühle anderer hineinzuversetzen. In „Wie du bist, wenn du so bist“ wird gemobbt und geliebt, gestritten und sich vertragen. Wenn ein Kind nach dem Betrachten der Szene, in der das Mädchen den kleinen Hasen vom Spiel ausschließt, beispielsweise äußert: „Das hat der Leo auch so gemacht“, versetzt es sich mithilfe seiner inneren Bilder und seinem aus eigener Anschauung erlebten Wissen in die Situation im Buch und bringt die literarische mit der eigenen Erfahrung in Verbindung.
So werden perspektivisches Denken und Empathie gefördert. Die Perspektive anderer, ihre Verhaltensweisen und ihre handlungsleitenden Beweggründe wahrzunehmen und zu verstehen, die Fähigkeit, sich in sie hineinzuversetzen und mit ihnen zu fühlen und Empathie zu entwickeln, sind Kompetenzen, die im Umgang mit Geschichten vorbereitet und geübt werden.
Das, was jemand anders erlebt, innerlich nachzuvollziehen und nachzuempfinden, muss geübt und vor allem ausprobiert werden. Das kann im Kopf stattfinden, durch Gespräche angeregt oder auch durch spielerisches Handeln oder Gestalten zum Ausdruck kommen. „Wenn du so bist, wenn du so bist“ vermittelt dem bildlesenden Kind Verhaltensweisen, Gefühle und Sichtweisen. Es bietet ihm Muster an, wie es diese Gefühle zum Ausdruck bringen und anderen mitteilen kann, und lädt zum Probehandeln ein. Freude und Angst, Ärger und Wut anderer erkennt der Mensch im Wort und dessen Intonation, an Mimik und Gestik.
In den ausdrucksvollen körpersprachlichen Abbildungen einer Doppelseite zeigen sich Verhalten und Reaktion und lassen sich bestens sprachlich in Bezug setzen. Oft zeigt sich eigenes Einfühlungsvermögen von Kindern schon bevor sie es in Sprache fassen können, wenn aber das entsprechende Wort erworben ist, wird die Einsicht greifbar. Beim dialogischen Betrachten werden Gefühlswörter, die gar nicht so leicht zu verstehen sind, formuliert und vertieft: traurig sein, wütend sein, stolz sein oder Mitleid haben werden erlebbar.
- Die zwölf unterschiedlichen Gefühlsreaktionen, die der Kuschelhase zeigt, sind im Buch auf zwei Seiten zusammengefasst. Davon stellen Sie einige Kopien her.
- Die Seite wird in 12 Kärtchen geschnitten. Beim Besprechen einer Szene wird die dazugehörige Karte ausgesucht und dem Bild zugeordnet. Mithilfe dieser Karten vertiefen Sie im gemeinsamen Dialog mit dem Kind die Wahrnehmung des Bildes und können das dialogische Bilderbuchgespräch auf die emotionale Reaktion lenken.
- Zusätzlich überlegen die Kinder, welches Verhalten den kleinen Hasen ebenfalls erfreuen oder traurig machen könnte. Lassen Sie die Kinder diese Szenen malen, den Hasen mit der entsprechenden Gefühlsreaktion aussuchen und ins Bild einfügen. Aus den Zeichnungen können Sie ein selbsthergestelltes „ … wie das ist, wenn du so bist-Buch“ herstellen.
- Kopieren Sie die Lieblingsseiten der Kinder und hängen diese in Sichthöhe auf. Das regt Dialoge an, bei denen die Kinder ihre Einsicht in Emotionen und Empathie vertiefen können.
- „Wenn ich glücklich bin, dann …“: Erweitern Sie mit den Kindern das bekannte Lied um weitere Gefühle, wie beispielsweise: „Wenn ich sauer bin, dann stampfe ich mit den Fuß; wenn ich ängstlich bin, dann …“
Tanja Székessy: Wie du bist, wenn du so bistLeipzig: Klett-Kinderbuch 2018, 40 Seiten | € 13,00| ab 3
Sylvia Näger, Freiburg;
Diplom-Medienpädagogin. Dozentin in der Aus-und Fortbildung von Grundschullehrenden, Erzieherinnen und Bibliothekaren. Lehrtätigkeit in den Bereichen sprachliche Bildung, Literacy, Kinder- und Jugendliteratur, Lyrik und Medienpädagogik.
Langjährige Herausgeberin der Edition „Bilderbuchkino” und Autorin pädagogischer Fachbücher.
Fünfter sein (Juli 2018)
Fünf lädierte, bemitleidenswerte Spielzeugwesen sitzen aufgereiht in einem dusteren Wartezimmer vor verschlossener Tür. Da kommt Bewegung in die Geschichte: die Tür geht auf und ein geheilter Marienkäfer rollt heraus. Jetzt geht wieder einer rein: der Pinguin ohne Flügel. Mit diesem Raus und Rein-Spiel wird einer nach dem anderen geheilt und letztendlich zeigt sich „tagherrdoktor“ hinter der mysteriösen Tür, der erfolgreich heiloperierende Puppendoktor mit Stethoskop und Schraubenschlüssel. Selbstverständlich hat er auch eine Ersatznase für den armen Pinocchio, der als fünfter so lange warten muss.
Die originellen Zeichnungen stammen von Norman Junge, der die Angst vor Unbekanntem in unwiderstehlich stimmungsvollen Szenen liebevoll ins Bild setzt. Ursprünglich entstanden sie für einen seiner Trickfilme in der „Sendung mit der Maus“. Ein nicht nur von Kindern heißgeliebtes und bereits mit vielen Preisen ausgezeichnetes Bilderbuch.
Ernst Jandl, der den einprägsamen, an einen Abzählreim erinnernden Text schrieb, zählt zu den bedeutendsten Lyrikern unserer Zeit und ist der Schöpfer des „Jandelns“, das er bis zur Vollendung gepflegt hat… Das ist jene Form lyrischer Sprachmalerei, in der wesentliche Dinge des Daseins unwiderruflich auf den Punkt gejandelt werden. In diesem Fall die Tatsache, wie zäh und schwer es doch ist, dieses lange quälende Warten vor der Tür des Doktors, mit all der Ungewissheit vor Augen. Erzählt wird aus der Perspektive des Pinocchio, der als fünfter so lange warten muss.
Anregungen zur Anschlusskommunikation
- Jandl trifft mit diesem Gedicht die Lust der Kinder am Spiel mit der Sprache. Bringen Sie beim Vortragen den Rhythmus des Textes zum Klingen. Arbeiten Sie mit Pausen und akzentuieren sie das leicht absurd wirkende Gedicht.
- Den prägnanten Text sprechen Kinder rasch mit. Da die Bilder Jandls Gedicht sehr wörtlich nehmen und die Patienten zu Spielzeugfiguren machen, regen sie an, die Handlung mit den Kindern szenisch zu spielen: Gestalten Sie den Handlungsraum mit 5 Sitzgelegenheiten, der Zimmertür und dem Sprechzimmer. Die Kinder oder Plüschtiere übernehmen die Rollen von Marienkäfer, Pinguin, Ente, Bär, Frosch und Pinocchio.
- Sprechen Sie mit den Kindern über die Situation im Wartezimmer darüber, dass die Bilder deutlich zeigen, wie sich alle ängstigen, der Arzt aber sehr freundlich schaut, und es ihm Freude macht alle Tiere zu heilen.
- Fragen Sie nach, ob die Kinder auch schon einmal verletzt waren oder Angst hatten, zum Arzt zu gehen.
- Warten, warten, warten - Kinder kennen das gut. Wer wartet wann auf wen und warum? Viele Bezüge zum eigenen Erleben geben reichlich Stoff zum Erzählen und Dialog Gestalten. Betrachten Sie die Bildabfolgen und stellen sie zusammen fest, wer zur Tür rauskommt und wer reingeht und bei den Bildern mit geschlossenen Türen, wer jetzt hinter der Tür ist.
- "Fünfter sein - Tür auf, einer raus - einer rein - vierter sein . ..“ Aus der Perspektive Pinocchios erzählt der immer wiederkehrende Text, wie sich seine Wartesituation verändert. Zählen Sie die Wartenden mit den Kindern durch und erweitern Sie das Zahlwort durch die Verwendung der Ordnungszahl: 1,2,3,4,5, der Pinocchio ist fünfter.“ Das wiederholen Sie mit dem Bild, auf dem vier Figuren zu sehen sind, usw.
- Komische hintergründige Details liefern Merkwürdiges, was wiederum die Gedanken und Vorstellungen der Betrachtenden kräftig motiviert. Bemerken die Kinder, dass das Licht der Lampe alle schwungvoll begleitet, die in das Sprechzimmer hineingehen? Wie kommt das?
- Eine leicht merkwürdige Atmosphäre erzeugen die Bilder mit ihrem Spiel von Licht und Schatten. Der hoffnungsvoll warme Lichtspalt, der unter der Tür durchdringt, gibt Hoffnung. Der Lichtschein aus dem Arztzimmer ist wie ein Bühne, auf der die spannenden Momente der Geschichte im wahrsten Sinne des Wortes „ins Licht gerückt“ werden. Das lädt ein, Experimente mit Licht und Schatten zu erleben. Eine Lichtquelle und ein gespanntes Leintuch werden benötigt, und die Lust auszuprobieren wie das geht, dass die Kinder sich im Schattenriss erleben, wie die Wartenden im Buch.
- Die Flügel verloren, der Fuß abgefallen, den Arm und das Auge verletzt, die Krone abgebrochen, die Nase zerbrochen… und was hatte der Marienkäfer? Die Kinder erzählen sich aus der Perspektive der Figuren, was ihnen passiert ist.
- Für alle Figuren versprachlichen Sie die typische Gangart und die Kinder: krabbeln, watscheln, stampfen, hüpfen, laufen und setzen diese in Bewegung um.
Ernst Jandl / Norman Junge: fünfter sein.
Weinheim: Beltz & Gelberg 2018, 38 Seiten | € 13,95| ab 3
Sylvia Näger, Freiburg;
Diplom-Medienpädagogin. Dozentin in der Aus-und Fortbildung von Grundschullehrenden, Pädagogischen Fachkräften und Bibliothekaren. Sie berät und begleitet Träger und Einrichtungen in der Entwicklung und Umsetzung von Konzepten zur sprachlichen Bildung und ist Autorin pädagogischer Fachliteratur. Lehrtätigkeit in den Bereichen sprachliche Bildung, Literacy, Kinder- und Jugendliteratur, Lyrik und Medien.
Stummel (Juni 2018)
Ein Hasenkind wird groß
Das Vorlesen literarischer Texte ermöglicht Kindern einen mittelbaren Einblick in die Gedanken- und Gefühlswelt von literarischen Figuren. Gelingende Vorlesesituationen leben davon, dass Kinder sich mit den Protagonisten identifizieren, sich wohlfühlen und Momente erleben, die ihre Empathie anregen.
Starke Emotionen und Bewältigungsstrategien prägen Max Bolligers Stummel-Geschichten, die zu den modernen Vorlese-Klassiker zählen. Die 41 kurzen Geschichten erzählen von Geborgenheit und großen Fragen, von kindlicher Neugier und elterlicher Fürsorge.
„Am Waldrand saß eine Hasenmutter mit ihrem Kind. Es hieß Stummel.“ Anfangs zeigt sich dieser kleine Hase als schwaches kleines Kerlchen, das lieber neugierig die Ameisen verfolgt als seiner Mutter zuzuhören. Klee und saftige Kräuter lassen ihn wachsen, die mütterliche Fürsorge unterstützt seine Entwicklung. So wird er immer neugieriger, und als emotional sicher gebundenes Hasenkind erkundet er freudig die Welt, die ihn umgibt. Zunehmend dehnt er den Radius seiner Aktivitäten und Erfahrungen aus, erforscht Wiese und Acker. Eines Tages traut er sich in den dunklen geheimnisvollen Wald, in dem viele seiner Feinde wohnen, denen er aber noch nie begegnet ist.
Vor Angst, wagt er kaum zu atmen, als er einem seltsamen Wesen begegnet: „…zehnmal größer als der Fuchs, der Marder, der Iltis und die Eule.“ „Ich bin verloren“, denkt er. Flüchten kann er nicht, er ist von Baumstämmen umgeben, „Wald ohne Anfang und ohne Ende.“ Das riesige Tier mit den glänzenden Augen zeigt ihm glücklicherweise den Weg aus dem Wald, und Stummel spürt, dass er sich nicht zu fürchten braucht. Zu Hause angekommen sagt seine Mutter ehrfurchtsvoll: „Das war ein Hirsch“, und ist sehr froh ihren Stummel wiederzuhaben. Der kleine Hase macht sich lange Gedanken über dieses Abenteuer und erklärt schließlich der winzigen Waldmaus, dass Feinde wohl nicht an ihrer Größe zu erkennen sind.
Stummel freundet sich mit einem alten Igel an, seine Mutter findet das unpassend, da der doch Mäuse und Schnecken vertilgt. Trotzdem entscheidet er sich für seinen Freund.
Er denkt über das Sterben und Abschiednehmen nach und hadert damit, ein Angsthase zu sein, der vor all seinen Feinden davonlaufen soll. Nach dem Auszug aus seinem Nest verspürt er Einsamkeit, die wieder verfliegt, als er seine neuen Geschwister kennen lernt.
Glücklich und traurig zugleich fühlt er sich beim Anblick der verschneiten Berggipfel. „Das ist die Sehnsucht“, erklärt der Igel seinem verwirrten Hasenfreund. Und diese Sehnsucht treibt Stoppel auch dazu, sich stark zu fühlen, Grenzen zu überschreiten und zu neuen Ufern aufzubrechen. Dass dabei ein ziemlich anderer, ein weißer Schneehase, eine gefährliche Straße und hohe Berge ins Spiel kommen, sorgt für komplexen Geschichtenstoff.
Max Bolliger schreibt souverän, wie zunehmende Erfahrung, Orientierung und Problemlösungsfähigkeit die Persönlichkeit von Hasen- und Menschenkindern prägen. Die Geschichten ermöglichen Kindern die Perspektivenübernahme, mitfühlende Empathie und kognitive Auseinandersetzung mit anderen Lebenssituationen.
Stummels Erlebnisse lassen Zuhörer und Vorleser in tiefgehender und liebevoller Art spüren, dass größer werden von Neugierde und Interesse bestimmt wird und auch davon, wie wir mit unbekannten Situationen und damit verbundener Unsicherheit umgehen.
Kathrin Schärer hat Stoppels Befindlichkeiten vielsagend ins Bild gesetzt und einen Protagonisten geschaffen, der den Betrachtern vom ersten Blick an ans Herz wächst. Ihre expressiven Bilder zeigen eine mimisch und körperlich ausdrucksvoll agierende Tierwelt, die jeder Vorlesesituation freudige Betrachtungen hinzufügen.
Ein feinfühliges Buch über große Themen, und immer wieder vorlesenswert.
▪ Hans ten Dornkaat, der das Bilderbuchprogramm im atlantis Verlag verantwortet, schreibt im Anhang des wunderschönen, übrigens mit einem Lesebändchen ausgestatteten Vorlesebuchs, zur Entstehung der Stummel Geschichten, die Max Bolliger Mitte der 1980er Jahre als Gutenachtgeschichten plante: „Er weiß, dass Eltern bei dieser Textsorte betont ‚Sanftes‘ erwarten. Er weiß aber auch, dass er von guten und schwierigen Erfahrungen erzählen will, doch nicht in Form von Fabeln. Die Tiere sollen sprechen, aber nach Möglichkeit nicht gegen ihre Natur handeln. Er studiert Zoologiebücher und ist erleichtert, zu lesen, dass Hasenmütter einerseits ihre Jungen umsorgen, sie andererseits aber aus dem Nest werfen wenn sich neuer Nachwuchs ankündigt. Auch das unterwegs Sein in der Dämmerung ist ihm wichtig. … Die verstärkte Aufmerksamkeit für Kindermedien interessiert ihn wohl, doch ihn beschäftigen entwicklungs- und individualpsychologische Fragen. Als Autor, der nach der Lehrerausbildung noch Heilpädagogik und Psychologie studierte, ist er hier ins seinem Element“.
Für die Praxis
Die in sehr klarer Sprache und kurzen Sätzen erzählten Geschichten haben eine Vorlesedauer von 3 bis 5 Minuten. Sie lassen sich, im Anschluss an wiederholtes Vorlesen und dialogisches Lesen, ideal nachspielen. Die szenische Darstellung gibt Kindern die Möglichkeit, die Handlung, den Dialog der Figuren, das Verhalten, den Umgang mit Konflikten, die Gefühlslagen, die Kommunikationsweisen etc. durch Körperausdruck und Sprache darzustellen und auszudrücken.
Kathrin Schärers extrem ausdrucksvollen Tierbilder eigenen sich durch ihre klaren Konturen als Vorlage für die Herstellung von Stabpuppen. Kopien der wichtigsten Figuren ermöglichen den Kindern Anschlusskommunikation in Form eines Stabpuppenspiels.
Max Bolligers Stoppel-Geschichten leben von ihrer Nähe zur Natur. Als ergänzende Informationen zu Tieren und Pflanzen ist es sinnvoll, Sachbücher bereit zu halten. So können sich Kinder mit den Lebensgewohnheiten von Tieren wie Feld- und Schneehasen, Mardern oder Steinböcken vertraut machen oder ihr Wissen über die beschriebene Pflanzenwelt vertiefen.
Auf einer Doppelseite zeigt Kathrin Schärer in dynamischen Bewegungsszenen einen Schneehasentanz. Stoppel möchte diesen Tanz erlernen. Ausgehend von der Betrachtung dieser Szenen überlegen sich die Kinder Tanzschritte, wählen eine Musik aus und inszenieren ihre Vorstellung eines Schneehasentanzes.
Max Bolliger / Kathrin Schärer: Stummel. Ein Hasenkind wird groß.
Zürich: Atlantis, 2018, 144 Seiten | € 16,95 | ab 5 Jahren
Sylvia Näger, Freiburg;
Diplom-Medienpädagogin. Dozentin in der Aus-und Fortbildung von Grundschullehrenden, Pädagogischen Fachkräften und Bibliothekaren. Sie berät und begleitet Träger und Einrichtungen in der Entwicklung und Umsetzung von Konzepten zur sprachlichen Bildung und ist Autorin pädagogischer Fachliteratur. Lehrtätigkeit in den Bereichen sprachliche Bildung, Literacy, Kinder- und Jugendliteratur, Lyrik und Medien.
Eisbjörn (Mai 2018)
Das unglaubliche Abenteuer eines tapferen Mäuserichs
Eisbjörn, die kleine weiße Maus, zieht in die große weite Welt hinaus. Verloren sitzt er am Strand, und der kalte Herbstturm, der das Meer aufwühlt und den Strandhafer in den Sand drückt, bläst ihm gewaltig durchs Fell. Er friert bis auf die Haut. Da möchte auch eine beherzte Maus nur noch eines, und das ist ein warmer Unterschlupf. Glücklicherweise bietet sich dafür das Haus des Leuchtturmwärters an. Dort sucht das zitternde Fellbündel Rettung vor dem Sturm und drückt sich ganz eng zwischen den Fußabstreifer und die blaue Holztür.
Gustav, der alte Leuchtturmwärter, entdeckt die kleine Maus und nimmt sie wohlwollend in seiner warmen Stube auf. Er fühlt sich manchmal etwas einsam und Eisbjörn, der glücklich an einem Stück Käse nagt, ist dem gemeinsamen Leben mehr als zugetan. Der Alte näht seinem kleinen Freund nicht nur ein wärmendes Ringelhemd sondern lehrt ihn ziemlich alles, was man über einen Leuchtturm und seine Funktionen wissen muss. Eisbjörn liebt es, wenn Gustav ihm Seemannsgeschichten erzählt, und übt mit Hingabe und rotem Garn einen Seemannsknoten nach dem anderen. Wann und wo es nur geht, ist Eisbjörn an Gustavs Seite und hilft dem alten Mann. Eines Tages aber wird Gustav krank, liegt im Bett und schläft sehr viel. Er hat oben auf der Turmspitze die Antenne repariert und sich im tosenden Wind und Wetter erkältet und überanstrengt. Fürsorglich kümmert sich die kleine Maus um den alten Mann, als plötzlich das Funkgerät knistert und der Notruf eines Schiffes eingeht.
Eisbjörn weiß: wenn er jetzt nicht eingreift, dann läuft das Schiff auf. Blitzartig fasst er den Plan, dass er durch das riesige Stiegenhaus des Leuchtturms ganz nach oben klettern muss. In der Spitze des Turms, bei den Spiegellinsen, ist der Hebel, den er ziehen muss, damit die Lampe angeht und das Lichtsignal dem Schiff den richtigen Weg weist. In einem Wettlauf mit der Zeit erklimmt die Maus flink Stufe um Stufe, überwindet mutig finstere Abgründe und katapultiert sich geschickt an den Schalthebel. Zu allem Unglück aber hat sich in den Zahnrädern der Leuchtmechanik noch ein Putzlappen eingeklemmt. Aber auch diese Herausforderung löst die heldenhafte Maus trickreich und mit all ihren Leibeskräften. Laut ächzend beginnen sich die Räder zu drehen, das Licht geht an und das Leuchtfeuer weist dem Schiff den richtigen Kurs.
In faszinierenden Bildern, deren Kraft jeden zu berühren und zu fesseln vermag, entwickelt sich diese ausdrucksstarke Heldengeschichte, die gegen Ende dynamisch rasant Fahrt aufnimmt. Gefühlsregungen sind genauso trefflich und akribisch ins Bild gesetzt wie technische Details und ziehen den Betrachter tief in die abenteuerliche Handlung mit ein. Vater und Sohn Kaplan gelingt es in diesem Bilderbuch mit leichter Hand, Emotionales und Technisches Seite an Seite einhergehen zu lassen, und das vermag auch Jungs an diese Geschichte über Freundschaft und Mut, Problemlösungskompetenz und große Taten einer kleinen Maus binden.
Für die Praxis
Da Jungs sich schnell im reinen Sachbuch zu Hause fühlen, für die Entwicklung ihrer Sprachkompetenzen aber genauso wie Mädchen die sprachliche Intensität von Erzählungen brauchen, gehören Bilderbücher wie „Eisbjörn“ zum dringend notwendigen Bestand jeder Kita-Bibliothek. Mädchen und Jungen genießen gleichermaßen Eisbjörns fesselnde Abenteuer. Intuitiv erfahren sie in diesem Buch, wie eine Erzählung aufgebaut ist, und werden unterstützt, diese Struktur selbst anzuwenden und sich als Erzählende zu erleben.
Kinder identifizieren sich mit dieser gelungenen Hauptfigur, die Problem um Problem löst, in einer Erzählung, in der die Spannung Stufe um Stufe bis in die Leuchtturmspitze steigt, um danach wieder auf Meereshöhe zu sinken. Bei allen Problemen, die die kleine Maus immer wieder vor die Pfoten geworfen bekommt, fühlt und hofft der Leser empathisch mit und wünscht, dass sich alles zum Guten wenden möge. Und zuletzt steht das große happy end an. Nachvollziehbar, dass der alte Leuchtturmwärter schlussendlich stolz ist auf seinen kleinen mutigen Freund mit dem Herzen eines Bären. Er hat ihm genügend Wissen und Können vermittelt. In Kombination mit den persönlichen Charaktereigenschaften konnte Eisbjörn tatkräftig Verantwortung übernehmen, über sich selbst hinauswachsen und Großes vollbringen. Schön, dass der heldenhafte Mäuserich in Gesellschaft seines Freundes den leckersten Käse der Welt verspeist. Zwischen den Ohren klemmt eine waschechte Kapitänsmütze mit goldgelber Kordel und glänzenden Paspeln. Die hat er vom Kapitän des geretteten Schiffs bekommen - für seinen Mut und dafür, dass er das Schiff vor dem Untergang gerettet hat.
Auf der letzten Doppelseite sitzen Gustav und Eisbjörn bei diesem feinen Käsedinner zusammen. In dieser gemütlichen Situation erzählt Eisbjörn Gustav das Drama, das sich, während er schlief, entwickelt hat und schildert, wie er die damit entstandenen Herausforderungen gelöst hat. Hier können Kinder in die Rolle der Maus schlüpfen und bildgestützt den Part des Erzählers übernehmen.
Beim gemeinsamen dialogorientierten Betrachten der Bilder wird sprachlicher Input durch vorbereitete Wortfelder vermittelt. Beispielsweise:
- Wortfeld Wetter: Windböe, Windstärke, Wellenberge, brechende Kämme, Gischt, Orkan, Wetterwarnung
- Wortfeld Technik: Zahnräder, Getriebe, Schraubenschlüssel, Optik, Linsen, Leuchtfeuer, Lichtbündelung, Lichtstrahl, Schifffahrtszeichen
Im Netz finden sich unter „Bilder zur Leuchtturmtechnik“ viele anregende Fotos, die herausfordern, die technische Fachsprache anzuwenden. - Dialoge zu unterschiedlichen Funktionen von Türmen
Leuchtturm, Kirchturm, Uhrturm, Glockenturm, Minarett, Wasserturm, Aussichtsturm, Kühlturm, Fernsehturm, Fernmeldeturm, Traumturm, Märchenturm, Zauberturm, Gespensterturm uvm.
Die Geschichte bietet vielfältige Anregungen zur handlungsorientierten Anschlusskommunikation: einen Leuchtturm selberbauen, Lichtsignale mit der Taschenlampe produzieren, Schiffe falten und auf stürmischer See fahren lassen (durch Trinkhalme pusten).
Eisbjörn liebt es, Seemannsknoten zu üben: Unter www.seemannsknoten.info finden sich Anleitungen für den nicht sehr schwierigen Kreuzknoten, der durchaus eine gewisse Ähnlichkeit mit einer Schuhbandschleife aufweist.
Max Kaplan / Lev Kaplan: Eisbjörn. Das unglaubliche Abenteuer eines tapferen Mäuserichs
Stuttgart: Thienemann-Esslinger, 2017, 32 Seiten | € 14,99 | ab 4 Jahren
Sylvia Näger, Freiburg;
Diplom-Medienpädagogin. Dozentin in der Aus-und Fortbildung von Grundschullehrenden, Pädagogischen Fachkräften und Bibliothekaren. Sie berät und begleitet Träger und Einrichtungen in der Entwicklung und Umsetzung von Konzepten zur sprachlichen Bildung und ist Autorin pädagogischer Fachliteratur. Lehrtätigkeit in den Bereichen sprachliche Bildung, Literacy, Kinder- und Jugendliteratur, Lyrik und Medien.
Wir sind alle nett - von A bis Z (Februar 2018)
Von abenteuerfreudigen Kindern, Buchstaben und Namen
Sechsundzwanzig Zeichen machen das Alphabet aus und Kinder versuchen oft früh, diesen merkwürdigen Formen auf die Spur zu kommen. In diesem Falle helfen dabei sechsundzwanzig Individuen, Mädchen und Jungen, deren Namen mit den Anfangsbuchstaben von A bis Z beginnen.
Alle nett? Jawoll! Nett und unterwegs im Dienste des Forschens und die Explorierens der Welt. Anton und Bill experimentieren in der Toilette. Geforscht wird im Bereich Masse und Raum, getreu der Forscherfrage: Wieviel Schwimmnudeln passen in eine Kloschüssel? Im Moment sind die zwei Netten mit Ameisenzählen und Helmprobe beschäftigt. Beobachter der Szene sind ein Ameisen- und ein Braunbär. „Anton und Bill sind heute seltsam still“, kommentiert der kurze lakonische Text die Szene. Eine Amsel und ein Biber im Zwiegespräch ergänzen die Textzeile. In diesen formalen Zusammenhängen erleben wir auf jeder Doppelseite vier Tiere oder Gegenstände und zwei jeweils aktiv beschäftigte Kinder. Deren jeweilige Anfangsbuchstaben schaffen die alphabetische Verbindung: „Kiril und Leander turnen miteinander“; ihre tierischen Beigeordneten sind der Koala und die Libelle, das Krokodil und der Löwe.
Helga Bansch zeigt in ihren großformatigen, herrlich hintersinnigen Illustrationen, wie Bilder die Aussage von Texten ergänzen und erweitern können. Dadurch ermuntern die Illustrationen in „Wir sind alle nett – von A bis Z“ zu einer intensiven Bildlesetätigkeit. Die ergänzenden Bilddetails rücken die Textaussagen in ein anderes Licht und regen die Gedanken und Phantasien kräftig an. „Otto und Paul sind grad richtig faul“, verrät uns der Text.
Das Bild zeigt ihre Bequemlichkeit, erzählt aber auch die andere Geschichte, die zeigt, dass dieser Faulheit emsige Konstruktionsleistungen vorausgegangen sind. Da Kinder geübte Bildleser sind, fordern diese anteiligen Bild-Textscheren unweigerlich Sprechanlässe heraus. Sehr unterhaltsam und unaufdringlich ermöglicht das Buch die Auseinandersetzung mit Schriftzeichen und bietet auf erfrischende Art Gelegenheit, sich im Erkennen der Laut- Buchstaben Beziehung zu erleben. „Quentin und Rolf zeichnen einen… .“ Kinder, die bereits den Gleichklang von Lautstrukturen erhören, werden unschwer die Reime ergänzen, zumal die Lösung „Wolf“ auch im Bild zu finden ist. Bilderselig und sprachvergnügt eröffnet dieses Buch eine Reise durch das Alphabet.
Dabei sorgt die komplette A bis Z-Bande vergnügt und verquer dafür, dass Kinder Schriftzeichen, Reimen und Anlauten begegnen und sich in den Vorläuferfähigkeiten zum Schriftspracherwerb einleben können.
Für die Praxis:
- Der Vorsatz und Nachsatz im Buch sind mit den Schriftzeichen, Tieren und Gegenständen gestaltet, die sich auf die Anfangsbuchstaben der Mädchen und Jungen beziehen. Eine dieser Doppelseiten wird im Format DINA3 farbig kopiert.
- Die Kinder schneiden die Abbildungen aus und sortieren die Schnipsel den jeweiligen Namen der Kinder im Buch zu.
- Aus zwei in der Kita vertretenen Vornamen wird ein Reim erfunden - analog zu den Beispielen im Buch.
- Zwei Kinder erhalten ein großes A, B usw. und einen Korb. Sie suchen im Haus alles zusammen, was mit ihrem Buchstaben beginnt und sortieren das Gefundene den jeweiligen Kindernamen aus dem Buch zu.
- Buchstaben von A bis Z (mit Außenlinien) werden geschrieben, gestempelt oder ausgedruckt. Jedes Kind gestaltet seinen eigenen Anfangsbuchstaben mit bunten Mustern, und gemeinsam werden Tiere und Dinge, die mit dem gleichen Buchstaben beginnen gesucht, gezeichnet und fotografiert. Jedes Kind gestaltete sein „Namensplakat“.
- Jedes Kind hat ein Klemmbrett und einen Stift. Alle gehen gemeinsam draußen auf Wörterjagd. Wörter werden abgeschrieben und zu Hause ausgeschnitten, nach Anfangsbuchstaben sortiert und auf ein Plakat geklebt.
- Auf einem Plakat werden 26 Felder eingezeichnet. In jedes Feld wird ein Buchstabe von A bis Z geschrieben. In die passenden Buchstabenfelder werden Fotosticker aller Kinder geklebt, deren Namen mit diesem Buchstaben beginnt. Kinder sind erbaut von dieser alphabetisch geordneten Kinderversammlung, die auch intensiv zum Gespräch und zu Gedanken über die lautliche und schriftliche Seite der Sprache anregt.
Heinz Janisch / Helga Bansch: Wir sind alle nett – von A bis Z
Wien: Jungbrunnen, 2017, 40 Seiten | € 15,95 | ab 4 Jahren
Sylvia Näger, Freiburg;
Diplom-Medienpädagogin. Dozentin in der Aus-und Fortbildung von Grundschullehrenden, Pädagogischen Fachkräften und Bibliothekaren. Sie berät und begleitet Träger und Einrichtungen in der Entwicklung und Umsetzung von Konzepten zur sprachlichen Bildung und ist Autorin pädagogischer Fachliteratur. Lehrtätigkeit in den Bereichen sprachliche Bildung, Literacy, Kinder- und Jugendliteratur, Lyrik und Medien.
Woran denkst du? (Januar 2018)
Spielplatz für Gedanken, Gefühle und Fragen
„Die Gedanken sind frei, wer kann sie erraten?“ Der Anfang des alten Volkslieds liefert den Ausgangspunkt für dieses Bilderbuch das zeigt, was in den Köpfen unterschiedlicher Leute so alles los ist.
Auf jeder Doppelseite wird rechts eine Person im Portrait bis zur Brust abgebildet und links steht ein Satz, der in einem kurzen Blitzlicht verrät, was diesen Menschen gedanklich beschäftigt. Anna liebt süße Sachen und Maximilian denkt sich gerne Abenteuer aus - in seiner Spitzohr-Mütze gleicht er dem großen Freidenker Max aus Maurice Sendaks Bilderbuch „Wo die wilden Kerle wohnen“. Marie ist schrecklich eifersüchtig, Oskar sucht nach Worten, Sophie ist traurig.
Und da sich jedes Portrait aufklappen lässt, können wir wirklich sehen, was in ihren Köpfen so vor sich geht. Max ist auf dem Rücken einer Großkatze im Dschungel unterwegs und Annas Kopf ist voller Torten. In Maries Kopf winden sich die Schlangen der Eifersucht. Oskar ist so verliebt, dass in seinem sprachverwirrten Kopf die Buchstaben Tango tanzen und Sophie ertrinkt im Tränenmeer.
Dank der Papierklappen können wir in Gefühlswelten und Gedankengänge der Protagonisten hineinsehen, sie lassen uns Gedanken lesen. Zum Schluss verrät die Katze als Ich-Erzählerin: „Alle haben so ihre Gedanken, fröhliche oder auch ernste, auch ich!“ In ihrem Katzenkopf sieht man, dass sie wohl gerade über ihr Herrchen grübelt.
Schlussendlich kommen im Nachsatz des Buchs alle Menschen, deren Gedanken wir gelesen haben, auf einem großen Platz zusammen, was anregt, alles Gedachte noch mal Revue passieren zu lassen und sich noch mehr empathische Gedanken über diese Menschen zu machen.
Diesem Spiel zwischen Text und Bild gelingt es wunderbar, Kinder zu eigenen Gedanken anzuregen. Sie werden ermuntert, ihre Sicht der Dinge, ihre Meinungen und Gefühle ebenfalls in Worten und Bildern auszudrücken. Mit seinen ästhetischen Gouache-Portraits und der besonderen Gestaltung ist dieses Bilderbuch ein gelungener Beitrag, den Prozess des Denkens anzukurbeln und Kinder für das Nachdenken und Weiterdenken zu begeistern.
Für die Praxis:
„Woran denkst du?“ ist ein Bilderbuch, das eine philosophische Auseinandersetzung mit einem Bereich des menschlichen Daseins - dem Denken – anregt. Philosophieren mit Kindern ist darauf angewiesen, die Kinder in ihren Vorstellungen und Denkweisen zur Sprache kommen zu lassen und sie dabei zu unterstützen. Es ist eine besondere Art von Kindergesprächen, für die Subjektivität und eigene Konstruktion von Welt geradezu grundlegend sind.
So ermöglicht das Buch, Kinder in einer Anschlusskommunikation zu eigenständigen Gedanken und selbständigem Denken zu führen:
- Wir betrachten Gefühlsbilder zur Unterscheidung von Gedanken in verschiedenen Gefühlslagen und Entstehungssituationen.
- Wir sammeln, welche Gedanken es gibt: Fröhliche Gedanken und traurige. Kluge Gedanken und dumme. Laute Gedanken und stille. Lange Gedanken und kurze. Lieblingsgedanken.
Gesprächsimpulse für Gedankensammler:
- Alle Gedanken brauchen Zeit, damit sie wachsen können.
- Aus Gedanken kann Neues entstehen.
- Wann kommen welche Gedanken?
- Wir gehen auf eine Gedankenreise: „Damit du jetzt genug Zeit hast, einmal in Ruhe nachzudenken und zu überlegen, welcher Gedanke zur Zeit dein wichtigster ist, darfst du es dir bequem machen und der Musik lauschen. Suche einmal in deinem Kopf nach deinem wichtigsten Gedanken. Was ist das für ein Gedanke, der für dich zur Zeit am wichtigsten ist? Ist es ein schöner oder fröhlicher Gedanke, oder ein vielleicht ein trauriger? Ein spannender, ein gemeiner? Vielleicht ist es auch ein ängstlicher oder besorgter Gedanke? Oder noch ein ganz anderer.“ (Text aus einem Unterrichtsentwurf von Julia Gövert)
- Die Gestaltung, die Laurent Moreau in seinem Buch verwendet hat, lässt sich auch mit Kindern realisieren. Beispielsweise können die Kinder ihr Brustporträt als Scherenschnitt oder Fotografie herstellen. Die Umrisse des Kopfs werden so ausgeschnitten, dass er sich aufklappen lässt, dahinter werden die selbst illustrierten Gedanken geklebt. Ein kurzer Satz beschreibt die Gefühls- und Gedankenwelt des Kindes.
Laurent Moreau: Woran denkst du? Aus dem Französischen von Edmund Jacoby.
Berlin: Jacoby & Stuart, 2017, 44 Seiten, 20 Klappen | € 16,00 | ab 4 Jahre
Sylvia Näger, Freiburg;
Diplom-Medienpädagogin. Dozentin in der Aus-und Fortbildung von Grundschullehrenden, Pädagogischen Fachkräften und Bibliothekaren. Sie berät und begleitet Träger und Einrichtungen in der Entwicklung und Umsetzung von Konzepten zur sprachlichen Bildung und ist Autorin pädagogischer Fachliteratur. Lehrtätigkeit in den Bereichen sprachliche Bildung, Literacy, Kinder- und Jugendliteratur, Lyrik und Medien.