Kriminalprävention
Ergebnisse der Gewaltschutzumfrage
Um Frauen und andere vulnerable Personengruppen besser vor Gewalt zu schützen, hat die Bundesrepublik Deutschland 2018 die Istanbul-Konvention unterzeichnet. Daraufhin hat die Stadt Freiburg einen Beteiligungsprozess angestoßen, um herauszufinden, wie Gewaltschutz auf kommunaler Ebene gelingen kann. Ergänzend führte sie von Mitte Juni bis Ende September 2023 eine Online-Umfrage durch, deren Ergebnisse nun vorliegen.
Hohe Beteiligung bei den Umfragen
Die Kommunale Kriminalprävention und die städtische Statistikstelle befragten darin in Zusammenarbeit mit Frauenhorizonte Menschen ab 16 Jahren, die ihre E-Mailadressen bei einer vorherigen städtischen Umfrage zur Verfügung gestellt hatten. Gleichzeitig gab es eine offene Online-Umfrage, die breit beworben wurde. Die Beteiligung war überall sehr hoch. Allein in der geschlossenen Umfrage kamen 723 Antworten zurück, auf die sich die vorgestellten Ergebnisse beziehen. Diese sind repräsentativ, da sie die demographische Struktur der Stadt Freiburg widerspiegeln.
Ergebnisse
Die Anregungen aus der Bürgerschaft decken sich größtenteils mit den fachlichen Beiträgen aus dem Beteiligungsprozess, geben aber auch neue Impulse. Die Umfrageergebnisse und die hohe Rücklaufquote verdeutlichen zudem, dass das Thema Gewaltschutz alle angeht und viele bewegt.
Die kommunale Umsetzung von Maßnahmen zur Istanbul-Konvention ist ein langfristiger Prozess. Der Gemeinderat hat dafür bereits eine Koordinierungsstelle mit 50 Prozent beim Referat für Chancengerechtigkeit geschaffen.
Sicherheitsgefühl
Im nahen Wohnumfeld und im eigenen Stadtteil fühlen sich 15 Prozent der Befragten unsicher. In den Stadtteilen Weingarten, Haslach und im Stühlinger ist der Anteil etwas mehr als doppelt so hoch. Wer sich nicht sicher fühlt, hat häufig schon Gewalt im Quartier erlebt oder davon mitbekommen. Auch eine aggressive Nachbarschaft oder Ruhe- und Ordnungsstörungen sind Gründe für Unsicherheiten.
18 Prozent der Teilnehmenden haben oft oder sehr oft die Befürchtung, dass sie in Zukunft von sexualisierter Gewalt in der Öffentlichkeit betroffen sein könnten. Bei weiblichen und diversen Personen, Menschen mit Migrationshintergrund und jüngeren Menschen sind diese Befürchtungen tendenziell ausgeprägter.
Erlebte Gewalt
12 Prozent der Befragten geben an, Gewalt am eigenen Körper erfahren zu haben: In den letzten zwölf Monaten wurden sie grob angefasst, gestoßen oder getreten. Von Schlägen, Ohrfeigen oder gar Angriffen mit Waffengewalt wird nur selten berichtet.
Sexuelle Belästigung in unterschiedlicher Ausprägung erfahren insbesondere junge Frauen. Überwiegend geht sie von männlichen unbekannten Personen aus. Von den Betroffenen wurden 36 Prozent in den letzten zwölf Monaten angestarrt. 31 Prozent wurden durch Hinterherpfeifen und Sprüche „angemacht“ und 11 Prozent ungewollt angefasst. Auch diverse Personen und Menschen mit Behinderung erlebten häufiger sexuelle Belästigungen.
Überraschend ist, dass psychische Gewalt scheinbar häufiger beobachtet als selbst erlebt wird. Laut den Initiatoren und Initiatorinnen könnte hier ein gesamtgesellschaftlicher Dialog über psychische Gewalt und wann diese beginnt, Licht ins Dunkel bringen.
Auffallend ist auch, dass die Zahl der Menschen, die sich vor sexueller Belästigung in der Zukunft fürchten, kleiner ist als die Zahl derer, die in den letzten zwölf Monaten selbst betroffen waren. Unter Umständen liegt das daran, dass sexuelle Belästigung von manchen bereits als „normal“ empfunden wird und zum Alltag von Frauen dazugehört. Aus diesen Gründen nehmen Betroffene nach Vorfällen oft auch keine Hilfen in Anspruch. Möglich ist auch, dass die Teilnehmenden sexuelle Belästigung noch nicht als „sexualisierte Gewalt“ begreifen, sondern mit dem Begriff eher sexuelle Übergriffe oder Vergewaltigungen verbinden.
In 44 Prozent der Fälle beobachten Außenstehende sexuelle Belästigungen oder erleben diese mit. Wünschenswert wäre für Betroffene, wenn sie von diesen Unterstützung erhalten würden.
Miterlebte oder beobachtete Gewalt
Innerhalb des letzten Jahres hat rund ein Drittel der Befragten Gewalt in der Öffentlichkeit beobachtet oder miterlebt. Dabei ging es bei 63 Prozent der beobachteten Fälle um körperliche Gewalt, bei 52 Prozent um psychische und bei 44 Prozent um sexuelle Belästigung. In 27 Prozent aller Fälle griffen die Befragten selbst ein, organisierten Hilfe aus dem nächsten Umfeld oder riefen den Notruf.
48 Prozent der Befragten haben weder selbst eingegriffen noch Hilfe organisiert. Als Gründe gaben sie an, dass sie zu weit entfernt gewesen seien, nicht so schnell hätten reagieren können oder Angst um die eigene Gesundheit gehabt hätten. Manche waren schlicht auch unsicher oder wussten nicht, auf welche Weise sie Zivilcourage hätten zeigen können. Diese Antworten verdeutlichen, wie wichtig es ist, immer wieder Möglichkeiten aufzuzeigen, wie Außenstehende helfen können ohne sich selbst in Gefahr zu bringen. Dazu gehören beispielsweise auch Zeugenaussagen nach einem Vorfall.
Hilfen zum Gewaltschutz
Die Mehrheit der Befragten fühlt sich nur teilweise oder nicht gut über Hilfsangebote informiert. Zwar sind Anlaufstellen bei Gewalterfahrungen mehr als der Hälfte bekannt, von der Anti-Gewalt-Beratung und Trainingsmöglichkeiten bei Gewaltbereitschaft wissen wiederum nur die wenigsten.
Die Teilnehmenden hatten viele Anregungen, wie Gewaltschutz verbessert werden könnte. So wurde mehrfach vorgeschlagen, Kinder und Jugendliche in Schulen, aber auch schon in Kitas aufzuklären. Das Angebot für Elternkurse sollte ausgebaut, aber auch besser beworben werden. Schulungen zur Sensibilisierung für Polizei und Justiz oder niederschwellige zentrale öffentliche Anlaufstellen für akut Betroffene wurden ebenfalls gewünscht.
Eigene Gewalttätigkeit und Wege aus der Gewalt
Nur 28 Personen nahmen am letzten Teil der Befragung zur eigenen Gewalttätigkeit und Wege aus der Gewalt teil. Aus den Angaben lassen sich daher keine repräsentativen Rückschlüsse ziehen.
Der Freundeskreis oder die Familie sind häufig die ersten Anlaufstellen bei gewalttätigem Verhalten. Professionelle Hilfeangebote nehmen die Betroffenen seltener in Anspruch und falls doch, dann meist in Form von Therapien. Einige Teilnehmende fühlen sich selbst als Opfer der Umstände. Andere machten Vorschläge wie kostenfreie Kurse zum Umgang mit Anspannungen und Stress, die Krankenkassen anbieten könnten.
Mehr Informationen und die ausführlichen Umfrageergebnisse finden Sie auf www.freiburg.de/kriminalpraevention.