Kulturlabor Freiburg

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Diskursraum #6

Nachhaltige Organisationsentwicklung: Grundlagen und gelebte Praxis für Kultureinrichtungen und Kulturschaffende

Freitag, 28.10.2022

Menschen sitzen an einem u-förmigen Tisch zusammen und hören einem Vortrag zu

Bereits in den ersten Werkstattgesprächen zum Auftakt des Kulturlabors wurde der Bedarf nach anderen Formen der Zusammenarbeit – sowohl innerhalb der Einrichtungen, Vereine, Initiativen als auch nach außen – geäußert, um krisenresistenter und agiler auf sich ändernde Bedingungen reagieren zu können. Daran anknüpfend ging es in diesem ersten Workshop zum Thema nachhaltige Organisationsentwicklung und Führung um Grundlagen moderner Zusammenarbeit und Kommunikation.
Nach innen gerichtete Veränderungsprozesse, also z. B. sich mit neuen Zielen auseinandersetzen, Organisationsabläufe anpassen und dabei auch die Mitarbeitenden ins Boot nehmen, werden in wirtschaftlich agierenden Unternehmen schon länger praktiziert. Der Workshop unter der Leitung von Dr. Johannes von Mikulicz-Radecki (Leiter Transformation Haufe Akademie) diente demzufolge als Startpunkt, um im Austausch Rückschlüsse für die aktuellen Herausforderungen von Kultureinrichtungen und Kulturinitiativen zu ziehen.

Der Referent gab zum Einstieg inhaltliche Impulse aus seiner Beratertätigkeit in der freien Wirtschaft. Der Begriff VUCA-Welt, der für Unbeständigkeit, Unsicherheit, Komplexität und Mehrdeutigkeit steht, beschreibt beispielsweise die Herausforderungen der heutigen digitalisierten Arbeitswelt (siehe PDF, nicht barrierefrei (107,5 KB)). Dementsprechend gehören in Unternehmen unter anderem digitale Kommunikation, lebenslanges Lernen und Veränderungsbereitschaft zu den Zukunftskompetenzen, wie Johannes von Mikulicz-Radecki anhand einer Studie verdeutlichte (siehe PDF, nicht barrierefrei (142,9 KB)). Herausforderungen wie weniger planbare Lebenswege und Fachkräftemangel spielen auch im Kulturbereich eine Rolle, wenngleich aus dem Kreis der Teilnehmenden auch ein kritischer Umgang mit der neoliberalen Idee des flexiblen Arbeitens angemerkt wurde

Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und damit einhergehenden Veränderungen im Arbeitsleben spielt auch im Kontext Führung und Zusammenarbeit der Generationenwandel eine Rolle. So prägen z. B. aktuell vier Generationen das Arbeits- und Gesellschaftsleben, was eine entsprechende Kommunikation erforderlich macht (siehe PDF, nicht barrierefrei (204 KB)). Trotz Kritik am Generationendenken – die Einordnung in Gruppen widerspricht der Haltung, Menschen individuell zu betrachten – fanden die Teilnehmenden eine weitere Beschäftigung mit dem Thema Generationenwandel grundsätzlich sinnvoll. Im praxisbezogenen Erfahrungsaustausch wurden beispielsweise das Aufeinandertreffen neuer Ideen oder Bedürfnisse auf altgewachsene (Vereins-) Strukturen als Herausforderungen benannt. Dazu gehören ebenfalls Nachwuchsprobleme, vor allem im Ehrenamt, für deren Lösung tiefergehende Kenntnisse über die Lebenswege, Erwartungshaltung und Motivation der jüngeren Generation erforderlich sind.

Dass die Transformation auch Chancen zur Weiterentwicklung bietet, verdeutlichte ein Praxisbeispiel aus der Gründung des Tanznetz Freiburg: Die Forderung der jungen Generation nach Bezahlung von Beiratsarbeit, die bisher ehrenamtlich war, regte die Auseinandersetzung mit dem Thema Selbstausbeutung an und brachte die Notwendigkeit mit sich, kulturpolitisch aktiv zu werden.

Des Weiteren stellte Johannes von Mikulicz-Radecki unterschiedliche Führungsstile und „Betriebssysteme“ vor – von klassisch gesteuert bis hin zu agilen Organisationsformen (siehe PDF, nicht barrierefrei (607,1 KB)). Eine Auseinandersetzung mit der eigenen Struktur und den Hierarchien innerhalb der Organisation dient unter anderem der Verbesserung der Kommunikation und Klärung von Verantwortungskompetenzen. Dies gilt nicht nur für größere Kulturinstitutionen, denn auch in nicht-hierarchisch organisierten Teams können Hierarchien entstehen, muss Aufgabenverteilung organisiert werden oder Kommunikation verbessert werden, bei Vereinen z. B. zwischen den festen Mitarbeiter_innen und Vereinsmitglieder_innen.

Wesentlicher Bestandteil des Workshops war der Erfahrungsaustausch zwischen den Teilnehmenden. Aus den vorab gesammelten individuellen Anliegen und Herausforderungen der Teilnehmenden aus unterschiedlichen Bereichen und Organisationsformen wurden drei Kernthemen herausgefiltert, zu denen Kleingruppen konkreter ins Gespräch kamen. Die wichtigsten Ergebnisse wurden im Anschluss den anderen Gruppen vorgestellt:

Nachhaltige Kommunikation im Team

  • Wie ist eine Beteiligung des gesamten Teams an Prozessen möglich?
  • Der Kern der Kommunikation und das gemeinsame Interesse müssen präsent sein 
  • interne Verständigung über Ziele, Visionen ist sinnvoll
  • andere Formen der Kommunikation finden (z. B. künstlerisch)
  • gute / motivierende Kommunikation braucht Wertschätzung und konstruktives, ehrliches Feedback
  • Welche Arbeitswerkzeuge gibt es für eine bessere Kommunikation?
  • Sinnvoll sind ggf. externe Moderator_innen für Kommunikationsprozesse (im Budget einplanen!)

Veränderungsprozess im Generationenwandel

  • Wie altert ein Verein? (Ab)Lösungsschwierigkeiten älterer Generationen, Wandel als gemeinsamen Prozess mit viel Austausch gestalten
  • Rollenwechsel, Wertewechsel, Strukturwechsel?! Neue Strukturen sollten auf der Basis unterschiedlicher Perspektiven, Bedürfnisse, Motivation und Lebenswege erarbeitet werden 
  • Ängsten vor Veränderungsprozessen mit transparenter, fairer Kommunikation begegnen, ggf. systemische Mediation / externe Moderation heranziehen
  • Feedbackstruktur lernen
  • eigene Organisationsform betrachten und neben rechtlichen Aspekten auch ethische Werte in den Blick nehmen

(Digitale) Zusammenarbeit

  • Problemfelder: eingefahrene Strukturen (mit dem Wandel mitgehen?); Generationenkonflikt?; Vergrößerung vs. Entfremdung: Wachstum des Teams bringt die Gefahr mit sich, dass man sich von der Kernidee entfremdet; undefinierter Raum, unklare Rollen, ungleiche Redeanteile
  • Transparenz schaffen (bei Entscheidungen)
  • regelmäßiger Austausch und Reflexion
  • zielorientierte Kommunikation
  • Zeit / Raum für jede_n Einzelne_n im Team
  • Brücken herstellen (z. B. zwischen Künstler_innen und Struktur/Management)
  • Regelmäßig neue Ziele setzen und überprüfen
  • Verlässlichen Rahmen schaffen
  • Moderation
  • Sich nicht entfremden von der eigenen Vision, Motivation hochhalten als Antrieb für alle
  • Offenheit, informelles Arbeiten
  • Checklisten / Tools (sowohl auf Managementebene als auch für Künstler_innen)

Für die Weiterentwicklung von Folgemodulen zum Thema Nachhaltige Organisationsentwicklung wurde deutlich, dass eine differenziertere Betrachtung und Aufteilung der Interessierten nach unterschiedlichen Organisationsformen sinnvoll ist. Des Weiteren wurde der Bedarf an gezielten Arbeitswerkzeugen deutlich, die eine bessere Zusammenarbeit und Kommunikation in den Organisationen vermitteln.

Literaturempfehlungen des Referenten

Organisationslehre

  • Kieser, Alfred und Mark Ebers: Organisationstheorien, 7. Aufl., Stuttgart, 2014.
  • Simon, Fritz: Einführung in die systemische Organisationstheorie, 5. Aufl., Heidelberg, 2015.

Modernes Organisations- und HR-Management

  • Bock, Laszlo: Work rules!, London, 2015.
  • Robertson, Brian J.: Holocracy - Ein revolutionäres Management-System für eine volatile Welt, München, 2016.
  • Laloux, Frederic: Reinventing Organizations - Ein Leitfaden sinnstiftender Formen der Zusammenarbeit, München, 2015.