Freiburger Klima- und Artenschutzmanifest
2019 hat der Gemeinderat mit großer Mehrheit ein Klima- und Artenschutzmanifest verabschiedet und die Finanzausstattung für Klimaschutzprojekte erheblich verbessert.
In dem Manifest stellt der Gemeinderat fest, dass die bisherigen Anstrengungen nicht ausreichen, den Klimawandel zu stoppen. Deshalb soll der Klima- und Artenschutz künftig "allerhöchste Priorität" erhalten. Alle Entscheidungen des Gemeinderats sollen künftig hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf das Klima und die biologische Vielfalt überprüft werden. Das Manifest im Wortlaut:
Die Verbrennung fossiler Energieträger und gravierende Eingriffe in die Ökosysteme weltweit haben bereits einen Klimawandel und einen dramatischen Verlust von biologischer Vielfalt verursacht, deren Folgen weltweit zu spüren sind. Die aktuelle Erderwärmung um über 1 °C führt dazu, dass der steigende Meeresspiegel Küstengebiete unbewohnbar macht, sommerliche Trocken- und Hitzeperioden zu Dürren führen und abschmelzende Gletscher die Wasserversorgung gefährden. Aktuell sind weltweit rund 1 Mio. weitere Arten vom Aussterben bedroht und hat die Biomasse von Fluginsekten in Deutschland in 25 Jahren um 75 % abgenommen. Dieser seit Auftreten des Menschen noch nie dagewesene Verlust von biologischer Vielfalt und die sich verändernden klimatischen Rahmenbedingungen zerstören letztendlich die Lebensgrundlage aller Lebewesen.
Die Stadt Freiburg arbeitet seit Jahrzehnten aktiv gegen diese Entwicklungen an. Mit CO2-Einsparungen von 37,2 % pro Kopf gegenüber 1992, der Ausweisung großer Schutzgebiete für Natur und Landschaft, einer nachhaltigen, naturnahen und nach den Standards des Forest Stewardship Councils zertifizierten Waldbewirtschaftung, der Einrichtung eines Klimaschutzfonds und einer erheblichen Anzahl von konkreten Klima- und Artenschutzprojekten mit Vorbildcharakter wird das kommunale Engagement in diesem Bereich belegt. Mit dem Beschluss zum Klimaschutzkonzept 2019 und seinen 90 detaillierten Maßnahmen hat sich die Stadt das Ziel gesetzt, die CO2 Emissionen bis 2030 um 60 % zu reduzieren und bis 2050 die Klimaneutralität zu erreichen. Sie hat mit ihren Beschlüssen zur Förderung der biologischen Vielfalt 2018 und zum Biodiversitäts-Aktionsplan 2019 ein Handlungsprogramm und konkrete Ziele verabschiedet, um in den nächsten Jahren eine Trendumkehr beim Artenverlust zu erreichen.
Gleichwohl ist die Stadt Freiburg angesichts der dramatischen Situation in tiefer Sorge und anerkennt die Eindämmung des Klimawandels und des Artensterbens als wichtigste Aufgabe ihres Handelns und richtet alle ihre Entscheidungen auf die Erreichung dieser Zielsetzungen aus. Gleichzeit ist sie sich bewusst, dass sie für einen wirksamen Arten- und Klimaschutz angewiesen ist auf die entsprechenden gesetzlichen Rahmenbedingungen, die durch die europäische Union, den Bund und das Land umgesetzt werden müssen.
Der Gemeinderat der Stadt Freiburg...
- ...erkennt, dass die bisherigen Maßnahmen auf kommunaler, nationaler und internationaler Ebene noch nicht ausreichen, um die Erderwärmung auf 1,5° Celsius zu begrenzen und das massive Artensterben anzuhalten.
- ...erklärt die Eindämmung der Klimakrise und des massiven Artensterbens sowie deren schwerwiegende Folgen als städtische Aufgaben von allerhöchster Priorität.
- ...berücksichtigt zukünftig bei allen Entscheidungen und Geschäften die Auswirkungen auf das Klima und den Erhalt der biologischen Vielfalt und wird solche Entscheidungen prioritär umsetzen bzw. Geschäfte prioritär behandeln, welche den Klimawandel und das Artensterben bzw. deren Folgen abschwächen.
- ...orientiert sich bei seinen Entscheidungen und Geschäften an wissenschaftlichen Erkenntnissen; er fördert die enge Kooperation mit den örtlichen Hochschulen und Forschungseinrichtungen bei der Erprobung und Umsetzung technologischer und sozialer Innovationen, die dem Klima- und Artenschutz dienen.
- ...fordert auch die städtischen Gesellschaften bzw. Beteiligungen auf, sich im Klima- und Artenschutz zu engagieren und dem Gemeinderat zu diesem Engagement am Jahresende 2020 separat Bericht zu erstatten.
- ...fordert, dass auch das Thema Umweltgerechtigkeit bei allen Umweltfragen auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene stärkere Berücksichtigung findet.
- ...fordert insbesondere die Europäische Union, die Bundesrepublik Deutschland und das Land Baden-Württemberg, aber auch andere Bundesländer und andere Kommunen dazu auf, dem Freiburger Vorbild zu folgen und zeitnah deutlich ambitioniertere Maßnahmen und Gesetze zur Eindämmung des Klimawandels sowie zum Erhalt und zur Förderung der biologischen Vielfalt zu beschließen. Diese Forderung an die Bundesregierung und die EU beinhaltet insbesondere die Einführung einer wirksamen CO2-Abgabe, einen schnelleren Ausstieg aus der Kohleverstromung, eine deutliche Erhöhung des Ausbauvolumens für erneuerbare Energien, progressive Maßnahmen zum Ausbau alternativer Mobilitätssysteme, einer Verkehrswende hin zum Umweltverbund und zur Schiene, ein klimaschutzorientiertes Gebäudeenergiegesetz, die Umsetzung einer ökologischen Agrarwende, das Verbot von insektenschädlichen Pflanzenschutzmitteln, die konsequente Eindämmung des Flächenverbrauchs, die Umsetzung eines flächenhaften Biotopverbundsystems und die Erhöhung des Anteils an streng geschützten Gebieten.
- ...appelliert an die Bürgerschaft Freiburgs, ihr Engagement im Klimaschutz und zum Erhalt der biologischen Vielfalt fortzusetzen und im Rahmen ihrer Möglichkeiten auszuweiten. Die Stadt Freiburg unterstützt dabei das Engagement jedes Einzelnen bzw. des bürgerschaftlichen Engagements für einen klima- und naturfreundlichen Lebensstil durch Informationsangebote sowie durch gezielte Förderprogramme.