Modern Times

Museum für Neue Kunst zeigt Bilder aus den 1920er-Jahren

Besuchende in der neuen Ausstellung im Museum für Neue Kunst

Kriegstraumata, Revolution, Radikalisierung, Demokratie, Frauenwahlrecht, Freiheit und soziale Ungleichheit: Die 1920er-Jahre waren eine Zeit der Gegensätze. Und auch 100 Jahre später sind diese Themen noch aktuell, wie jetzt eine neue Ausstellung im Museum für Neue Kunst zeigt.

Otto Dix, Conrad Felixmüller, George Grosz, Käthe Kollwitz, Hanna Nagel oder Elisabeth Voigt spiegeln in ihren Arbeiten das Leben zwischen den Weltkriegen – auf der Straße, in Fabriken, Ateliers, Cafés und im Kabarett. Die Ausstellung „Modern Times – Bilder der 1920er-Jahre“ zeigt Werke vom Expressionismus bis zur Neuen Sachlichkeit aus dem Lindenau-Museum Altenburg und dem Museum für Neue Kunst, ergänzt um zeitgenössische künstlerische Positionen, die den Bogen in die Gegenwart schlagen. Die Schau läuft bis Sonntag, 16. Februar 2025.

Das Chaos sich überstürzender Ereignisse ließ in den Goldenen Zwanzigern viele Menschen verzweifeln und schürte gleichzeitig große Hoffnungen. Es entstanden Utopien einer neuen, besseren Gesellschaft. Gegliedert in sechs Themenbereiche blickt die Ausstellung nicht nur zurück, sondern sucht Parallelen zum Jetzt und gibt Denkanstöße für die Zukunft.

Den rasanten technischen Fortschritt Anfang des 20. Jahrhunderts sahen viele Kulturschaffende, Künstlerinnen und Künstler kritisch. So auch Charlie Chaplin, dessen filmisches Meisterwerk „Modern Times“ der Ausstellung den Titel leiht. Das Bild Chaplins in den Zahnrädern einer riesigen Maschine ist weltberühmt. Auch die menschlichen Figuren in Paul Fuhrmanns Gemälde „Technokratie“ scheinen sich zwischen Getrieben und Fließbändern aufzulösen. Eine heute in Zeiten von künstlicher Intelligenz viel diskutierte Verschmelzung von Mensch und Technik thematisierte Elisabeth Voigt in ihrem Holzschnitt „Maschinenmann“.

Viele Künstlerinnen und Künstler führten ein Leben am Existenzminimum. Aus dieser Erfahrung heraus entwickelten sie einen mitfühlenden Blick für die Menschen am Rande der Gesellschaft, getrieben von harter Arbeit, ohne Aussicht auf eine bessere Zukunft. Die ungerechte Verteilung des Wohlstands öffnete die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter. Wilhelm Lachnits „schwangeres Proletariermädchen“, Hans Baluscheks „asoziale Frauen“ oder Conrad Felixmüllers frierender „Zeitungsjunge“ treffen auf den „Business-man“ von Frans Masereel oder den selbstgefälligen Fabrikanten Buschbeck von Carl Lohse.

Zum zehnten Jahrestag des Ausbruchs des Ersten Weltkrieges publizierte Otto Dix 1924 sein großes Mappenwerk „Der Krieg“ mit 50 Blättern voller abgründiger Schreckensszenarien. Tiefe Schwärze, Ritzungen und Verätzungen werden zum Ausdruck von Gewalt und Zerstörung. Die albtraumhaften Szenen spiegeln die eigene Wahrnehmung des Künstlers und knüpfen doch an kollektive Erfahrungen an. Auch die zeitgenössische, fotografische Arbeit von Yevgenia Belorusets reflektiert den Krieg, sie kommentiert ein Graffiti zum russischen Angriff auf die Ukraine und fragt nach der Bedeutung von Solidarität.

Auf den Krieg folgte eine Zeit des Aufbruchs und der Suche nach einer neuen Gesellschaftsordnung – Revolution! Viele Künstlerinnen und Künstler engagierten sich politisch, gründeten aktivistische Vereinigungen und gaben avantgardistische Zeitschriften heraus. Auf den Tod von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht reagierte Käthe Kollwitz 1919 mit dem „Gedenkblatt für Karl Liebknecht“. Heute sammelt Monika Huber in ihrem „Archiv Einsdreissig“ Bilder von weltweiten Protesten und verfremdet sie. Welche Gesten und Bewegungen wiederholen sich?

Trotz allem Aufruhr prägte die Goldenen Zwanziger ein neues Lebensgefühl voller Leichtigkeit und grenzenloser Freiheit. Insbesondere Frauen standen nun neue Möglichkeiten offen – 1918 erhielten sie das Wahlrecht, was ihre gesellschaftliche Stellung tiefgreifend veränderte. Mit viel Selbstbewusstsein und einem unbeschwerten Körpergefühl hinterfragten sie traditionelle Geschlechterrollen und Konventionen. Vor allem Künstlerinnen loteten die Grenzen aus, etwa Charlotte Berend-Corinth, die in ihrer Hommage an „Anita Berber“ Tabus sichtbar machte. Viele Männer im Kunstbetrieb betrachteten Frauen allerdings noch immer als Muse und Objekt.

Öffentliche Plätze, Theater und vor allem Cafés sind bis heute beliebte Treffpunkte. In einer Zeit ohne Computer, in der Telefon und Radio noch in den Anfängen steckten, hatten sie weitaus größere Bedeutung. Im Café erfuhr man Neuigkeiten zuerst, hier fand der politische und künstlerische Diskurs statt. Sehen und gesehen werden lautete die Devise. Zahlreiche Café-Bilder fangen den Geist der 1920er ein und zeigen eine lebendige Ära des Wandels.

Isabel Herda vom Museum für Neue Kunst und Benjamin Rux vom Lindenau-Museum Altenburg haben die Ausstellung mit Unterstützung von Roberta Čebatavičiūtė, wissenschaftliche Volontärin am Museum für Neue Kunst, gemeinsam kuratiert. Ein umfangreiches Programm für unterschiedliche Zielgruppen begleitet die Schau. Im hauseigenen Kino, dem Schau_Raum, sind experimentelle Videoarbeiten aus den 1920er-Jahren zu sehen, die sich mit neuen Ausdrucksformen auseinandersetzen. 

Aktuelle Infos zur Ausstellung und begleitenden Veranstaltungen gibt es unter www.freiburg.de/modern-times.

Veröffentlicht am 30. September 2024