Sitzungen des Gestaltungsbeirats

TOP 1: Neubau eines Wohn- und Geschäftshauses

Breisacher Straße 38 | Stühlinger

Bauherr:       capRISE invest ag, Herr Gehri, Steinhausen

Planverf.:      Architekturbüro Ross, Freiburg

Protokoll

Bei dem Projekt „Breisacher Straße 38“ handelt es sich um eine Wiedervorlage. Im Gegensatz zur ersten Präsentation, bei der ein Neubau geplant war, soll nach der neuen Planung das bestehende Gebäude erhalten bleiben.
Eine grundlegende Sanierung ist aufgrund mangelhafter energetischer Effizienz der Fassade, Undichtigkeiten im Dach, veraltete Gebäudetechnik und nicht mehr zeitgemäßer Wohnungsausstattungen notwendig. Auch die derzeitige Nutzung bzw. der teilweise Leerstand im Erdgeschoss stellt einen unbefriedigenden Zustand dar. Ziel der Planung ist es ein zeitgenössisch – modernes Erscheinungsbild sowie eine umfassend qualitative Verbesserung der Wohnsituation zu erreichen.
Als bauliche Maßnahmen sind geplant:
- Neugestaltung der bisherigen Bandfassade als wärmegedämmte Lochfassade (mineralisches WDVS)
- Anbringung von zueinander versetzten, vierseitig geschlossenen „Balkonkörben“
- Neugestaltung der Erdgeschosszone
- Aktivierung der Dachflächen als Terrassen
- Neuorganisation der Grundrisse durch die Teilung des bislang offenen Wohnraumes (Hierdurch entsteht je Wohneinheit ein weiteres Zimmer sowie einheitliche Zimmergrößen)

Der Gestaltungsbeirat nimmt zur vorgestellten Planung wie folgt Stellung:
Die Entscheidung die Grundstruktur des Bestandsbaus zu erhalten und den Weg einer bautechnischen – energetischen Sanierung zu beschreiten wird vom Gestaltungsbeirat begrüßt. Insbesondere unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit (zum Beispiel Sicherung grauer Energievorräte) ist diese Herangehensweise zu begrüßen. Die Aktivierung und gestalterische Überarbeitung der Erdgeschosszone (transparente, offene Gestaltung, öffentliche Nutzung) trägt positiv zur gesamten stadträumlichen Entwicklung des Quartiers bei und wird sehr positiv gesehen. Die durch den Erhalt des Gebäudes nun möglich werdende Nutzung der Flachdachflächen für eine sommerliche Terrassennutzung reichert die Gesamtqualität des Gebäudes an und sorgt auch in der Außenwirkung für positive Effekte. Dem Einbau zeitgenössischer haustechnischer Anlagen, insbesondere im Bereich der Heizung steht nichts entgegen.
Die im Zuge der Modernisierung vorgesehene weitere Unterteilung der Bestandsgrundrisse und der dadurch implizierte Nutzerwechsel von Familien zu Wohngemeinschaften oder boarding-house-artigen Clusterbereichen (temporäres Wohnen) steht möglicherweise im Widerspruch zu der für diesen Stadtbereich geltenden Milieuschutz. Durch die vorgesehene Aufteilung des bisherigen Wohnzimmers in zwei Einzelzimmer verlieren die größeren Wohnungen den durchgesteckten Charakter der bisher jedem Bewohner den Zugang zur lärmabgewandten Gebäudeseite ermöglicht hat. Die gleichmäßige Aufteilung der Wohnungen in Einzelzimmer mit teilweise gemeinsamen Küchen führt zu einer typologischen Monostruktur im Gegensatz zu den bislang angebotenen Wohnungen, die ein breiteres Angebot für unterschiedliche Nutzergruppen angeboten haben.


Das Bestandsgebäude springt bereits im jetzigen Zustand an der Breisacher- und Hohenzollernstraße im Vergleich zu den Nachbargebäuden um bis zu 80 cm in den Straßenraum hinein und erlangt hierdurch eine prägnante – hervorgehobene Wirkung. Die bestehende Baulinie bestätigt diese Position. In den eingereichten Planunterlagen ist dieser bestehende Vorsprung nicht erkennbar, die räumliche Situation ist nicht korrekt dargestellt. Die nun vorgeschlagenen, etwa 1,60 m tiefen Balkonkörbe ragen nun in Addition mit dem bestehenden Vorsprung um etwa 2,40 m tief in den öffentlichen Raum der Kreuzung hinein. In Anbetracht der bereits maßstabssprengenden Höhenentwicklung des Gebäudes entsteht so eine überproportional, dominierende Präsenz im Stadtraum. Dies wird stadtgestalterisch abgelehnt. Die unruhige Positionierung der Balkone entspricht nicht dem ruhigen, seriellen Grundcharakter des Gebäudes. Wohnungsbezogene Außenräume sollten sich daher als Loggien nach Innen hin entwickeln. Hierdurch wird auch die angestrebte Verbesserung der Lärmbelastung der Bewohner durch Lärmschutzverglasungen sowohl bautechnisch als auch gestalterisch besser zu bewerkstelligen sein. Der Gestaltungsbeirat kann sich zudem balkonartige Situationen zum Innenhof durchaus vorstellen. Auch eine Begrünung des Anbaus (Zufahrt zur Tiefgarage) sollte geprüft werden.
Die Fassade sollte bei einer Sanierung weiterhin als Bandfassade erkennbar bleiben. Dies unterstützt den Charakter des Bestandsbaus und ermöglicht unter wirtschaftlichen Aspekten eine angemessene Realisierung. Von Vorteil wäre auch die Öffnung der derzeit über alle Ebenen geschlossenen Fassade an der Straßenecke.
Der Gestaltungsbeirat empfiehlt den sehr begrüßenswerten Weg der Sanierung des Bestandsgebäudes konsequent fortzuführen, dabei aber die gebäudetypischen Gestaltmerkmale im Inneren wie Äußeren beizubehalten. Insbesondere im Bereich der Fassadenvorsprünge lotet der Bestand bereits die maximal mögliche Freiheit in Bezug auf den öffentlichen Raum aus. Dieser Rahmen sollte auch zukünftig gewahrt werden.
Der Beirat bedankt sich für die Präsentation und wünscht dem Bauherren und dem Architekten für den weiteren Verlauf des Projekts alles Gute.