Juli 2023

Mittel- und Unterwiehre

Nur für Anlieger: Eigentlich ist die Beschilderung eindeutig,doch in der Basler Straße ist viel mehr Verkehr, als man unterdiesen Umständen erwarten würde, finden die Anwohner.

Selten war ein Veranstaltungsort schöner als beim Bürgergespräch mit OB Martin Horn in der Aula der Gertrud-Luckner-Gewerbeschule in der Kirchstraße. Thematisch war der Abend weniger spektakulär: Die meisten Redebeiträge kreisten um den Themenkomplex Verkehr.

Keine festgelegte Agenda, keine vorbereiteten Präsentationen – stattdessen: Mikro auf für die Themen der Bürgerinnen und Bürger. Auch im sechsten Jahr der Amtszeit von Martin Horn stößt das Gesprächsformat „OB vor Ort“ auf großes Interesse bei der Bürgerschaft. Am vergangenen Montag waren die Bewohnerinnen und Bewohner der Mittel- und Unterwiehre eingeladen. Statistisch umfasst das Gebiet drei Stadtbezirke, in denen zusammen rund 18 000 Menschen wohnen – „fast so viel wie Bad Krozingen“, sagte OB Horn.

Ärgernis Anliegerstraße

Ein alter Hut und Dauerärgernis ist der Verkehr in der Basler Straße, der von mehreren Bürgerinnen und Bürgern angesprochen wurde. „So viele Anlieger kann es gar nicht geben“, sagte eine direkte Anwohnerin und wünschte sich entsprechende Kontrollen. Vor allem für alle, die mit dem Rad unterwegs seien, sei die Situation durch drängelnde Autos sehr gefährlich. „Das will ich gar nicht schönreden“, stimmte OB Horn dem Gesagten zu. Verkehrskontrollen seien aber Aufgabe der Polizei. Er versprach, das Thema mit ins Rathaus zu nehmen.

Parken und Knöllchen

Sehr uneinheitlich war das Bild beim Thema Parken. Aus der Unterwiehre gab es Lob für das neue Parkraumkonzept, das endlich für freie Gehwege sorgt, wie Quartiersarbeiter Ingo Heckwolf berichtete. „Die Neuordnung des Parkens lohnt sich“, ermunterte er die Anwesenden, sich dafür einzusetzen. Andere wiederum beklagten, dass es schon für wenige Zentimeter „Falschparken“ Knöllchen gebe. Auch die Höhe der mittlerweile vom Bundesverwaltungsgericht einkassierten Anwohnerparkgebühren wurde kritisiert.

Oberbürgermeister Martin Horn nutzte die Gelegenheit, einige bundespolitische Aspekte zu beleuchten. Er wünschte sich mehr Gestaltungsfreiheit für die Kommunen. „Wir könnten 1000 Schilder abhängen“ – doch leider sei ein Tempo- 30-Modellversuch vom Verkehrsministerium abgelehnt worden. Auch beim Anwohnerparken halte er es für gerechter, stadtweit Gebühren für die Nutzung des öffentlichen Raums zu verlangen – auch das scheitere derzeit aber an bundesgesetzlichen Regelungen.

Störende Wohnmobile

Mehrfach angesprochen wurde die große Anzahl abgestellter Wohnmobile. Eine Zulassung „nur bei Nachweis eines privaten Stellplatzes“ wünschte sich deswegen eine Bürgerin. OB Horn deutete an, dass bei der kommenden Neuregelung des Anwohnerparkens das Thema Wohnmobile mit einer Staffelung für überlange Fahrzeuge Berücksichtigung finden solle – für Zulassungsbestimmungen ist aber der Bund zuständig.

Wärmenetz gefordert

Aus den Reihen des Bürgervereins wurde nachgefragt, ob und wann es ein Konzept für die Wärmeversorgung des Quartiers gebe. Andernfalls drohe ein Wildwuchs an Einzelprojekten mit brummenden Wärmepumpen vor jedem Haus. Zur Klimaanpassung den alten Baumbestand mehr in den Fokus zu nehmen, war der Wunsch von Loretta Lorenz aus dem Team der Bürgervereinsvorsitzenden. Auch der Wunsch nach besserer Pflege von Bäumen, beispielsweise auf dem Bahngelände bei der „Lama 100“, wurde vorgetragen. Außerdem fragte der Bürgerverein nach dem Sachstand für den geplanten Neubau hinter dem alten Feuerwehrhaus in der Kirchstraße. „Da sind wir im Verzug. Der Entwurf für den Erbpachtvertrag ist aber im Mai raus“, sagte der OB.

Was gibt’s noch?

Daneben kam eine Vielzahl von Einzelthemen zur Sprache. Der Leiter der Lorettoschule, Christoph Nitschke, dankte für den jüngst fertiggestellten Anbau, mahnte aber eine Sanierung der „maroden Turnhalle“ an. Dazu der OB: „Wir haben eine Prioritätenliste. Andere sind noch dringender.“ Ein Arzt und Vater zweier kleiner Kinder wünschte städtische Aktivitäten, um in Kitas Glitzer zu verbieten, weil das „Mikroplastik die Umwelt kaputt macht und die Kinder vergiftet“. Und schließlich gab es noch zwei Wortmeldungen, die die städtische Unterstützung für die ukrainische Partnerstadt Lviv kritisierten. Trotz des fehlenden Wiehre-Bezugs gab es von Martin Horn eine klare Antwort: Er dankte für die große Spendenbereitschaft der Bevölkerung und sagte, dass man sich an diesen völkerrechtswidrigen Krieg niemals gewöhnen dürfe – dafür erntete er donnernden Applaus.

Appell am Ende

In seinem Schlusswort rief OB Horn dazu auf, sich weniger über Kleinigkeiten aufzuregen und sich stattdessen um die echten Probleme zu kümmern. „Wie kann es sein, dass sich alle über vegetarisches Kita- und Schulessen aufregen, während gleichzeitig bundesweit 400 000 Fachkräfte für die Kinderbetreuung fehlen?“