Sitzungen des Gestaltungsbeirats

TOP 2: Neubau eines Mehrfamilienwohnhauses

Markgrafenstraße 110 | Haslach

Bauherrin: Baugemeinschaft Stadtgestalten Freiburg GbR Planverfasser: Zeitraum Projektentwicklung UG, Freiburg

Protokoll

Eine Gruppe von 15 bauwilligen Familien hat sich zu einer Baugemeinschaft zusammengeschlossen, um eine gemeinschaftliche, generationenübergreifende Wohn- und Lebensform in einem Mehrfamilienhaus inklusive zugehöriger Freiräume umsetzen zu können. Dafür wurde ein Baugrundstück einer ehemaligen Gärtnerei in der Markgrafenstraße und eine Freifläche im rückwärtigen Bereich, die nach dem dort gültigen Bebauungsplan mit der Festsetzung als private Grünfläche nicht für eine bauliche Nutzung zur Verfügung steht, erworben. Die straßenseitige Bebauung gilt es nach den Anforderungen des § 34 BauBG zu beurteilen.

Zur Markgrafenstraße hin ist eine faktisch 4-geschossige Bebauung plus Dach vorgesehen, auch wenn sich das 3. Obergeschoss schon hinter einer angedeuteten Dachschräge verbirgt. Im Souterrain sind zusätzlich Wohnräume untergebracht, die das Geländegefälle zwischen der Markgrafenstraße und dem hinteren Grundstücksbereich nutzen. Rückwärtig ist ein als „Dorfplatz“ titulierter Innenhof angelegt, der zusätzlich von einer rückwärtigen, 2-geschossigen Gebäudezeile mit einem Gemeinschaftsraum und weiteren Wohnungen räumlich gefasst wird. Insgesamt sind im Vorder- und Hinterhaus 18 Wohnungen unterschiedlicher Größe untergebracht, obwohl die Baugemeinschaft nur aus 15 Parteien besteht. Auf dem nicht für eine Bebauung zur Verfügung stehenden Flurstück im rückwärtigen Bereich ist ein Gemeinschaftsgarten geplant.

Der Gestaltungsbeirat zeigt sich zunächst über die generelle Ambition dieses Projektes erfreut, gemeinschaftliches Wohnen, das es grundsätzlich zu fördern gilt, in diesem Quartier umzusetzen. Er stellt bei seiner Beratung des Bauvorhabens aber auch fest, dass das Baugrundstück insgesamt eine zu hohe Ausnutzung bezogen auf den Charakter der Nachbargrundstücke an der Markgrafenstraße aufweist. Dass das Grundstück nur zu einem hohen Preis zu erwerben war, schlägt sich leider als wirtschaftliche Konsequenz nun in einer unangemessen hohen baulichen Dichte nieder. Aus Sicht des Beirats ist das Vorderhaus ein Geschoss zu hoch und die Hofbebauung ist als Riegel in der Umgebung untypisch und rückt zudem im Ostteil des Grundstücks zu nah an das Vorderhaus heran. Damit wird auch die mögliche Qualität des „Dorfplatzes“ als Ort der Haus- und Quartiersgemeinschaft extrem eingeschränkt, weil die gemeinschaftliche Nutzung und der Diskretionsanspruch der Privatsphäre bei dieser Enge in Konflikt geraten können.

Der wirtschaftliche Druck zeigt sich auch in dem geringen Angebot an gemeinschaftlich nutzbaren Räumen innerhalb des Hauses. Der angebotene Gemeinschaftsraum besitzt noch nicht einmal die Größe für eine Zusammenkunft aller Parteien der Baugemeinschaft. Und darüber hinaus werden keine spezifisch nutzbaren, weiteren Gemeinschaftsräume angeboten. Im Vergleich zu anderen Projekten gemeinschaftlichen Wohnens ist dieses Angebot leider recht minimiert. Durch die stereotype Anordnung der Maisonette-Wohnungen im Erdgeschoss mit sieben individualisierten Hauszugängen lässt sich die Idee gemeinschaftlichen Wohnens auch nicht im Erscheinungsbild und der Erschließungsorganisation des Hauses ablesen. Überdies sind im Bild des Straßenraumes mit der durchgehenden grünen Vorzone die zahlreichen Zugänge untypisch.


Durch die als Teil des Daches angelegte schräge Verglasung des Laubengangs im 3. Obergeschoss entsteht im Straßenbild ein untypischer Baukörper, der zudem auch einige gestalterische Unzulänglichkeiten aufweist. Das Prinzip der modularen Bauweise ist konstruktiv nicht nachvollziehbar, ebenso nicht die „Technik“ der begrünten Fassadenelemente. Insgesamt wirkt die Fassade vor dem Hintergrund des wirtschaftlichen Drucks des Projektes recht kompliziert und aufwändig. Ähnlich aufwändig ist die gesamte innere Erschließung des Gebäudes mit einer unverständlichen Maximierung von Vertikalerschließungen.

Ungelöst ist auch die Gestaltung der Freiräume, insbesondere der Umgang mit den Stellplätzen, die den gesamten östlichen vom Straßenraum einsehbaren Eckbereich des Grundstücks belegen und zudem den Zugang zum „Dorfplatz“ verstellen. Unbefriedigend sind in ähnlicher Weise auch die Organisation und die Gestaltung der Fahrradboxen.

Der Gestaltungsbeirat sieht den wirtschaftlichen Druck des Projektes und empfiehlt gerade deshalb eine Überarbeitung des Bauvorhabens unter folgenden Gesichtspunkten:

  • Angesichts des Bildes der Markgrafenstraße ist eine Vereinfachung der Fassade und eine klare Baukörperausbildung entweder mit einem geneigten Dach oder einer klaren Formulierung eines Staffelgeschosses. Die Ausbildung eines doppelten Staffelgeschosses wird nicht gesehen.
  • Zur Reduzierung der Baumasse sollte in Erwägung gezogen werden, auf die zusätzlichen drei Wohnungen, die nicht der bisherigen Baugemeinschaft entspringen, zu verzichten. Zudem wird das Herausgreifen von max. First- und Traufhöhen in Kombination mit max. Gebäudetiefen und Grundflächen der Nachbarbebauung für den Hauptbaukörper vom Gestaltungsbeirat nicht befürwortet.
  • Für die rückwärtige Bebauung ist zu prüfen, ob eine eher punktförmige Bebauung wie bei dem übernächsten Grundstück das Bauen in der zweiten Reihe umgebungsangemessener und verträglicher macht.
  • Der Gemeinschaftsgedanke muss sich im Angebot gemeinschaftlich nutzbarer Flächen und Räume wie auch im Bild und in der inneren Organisation des Hauses deutlicher niederschlagen – auch in der Reduzierung des inneren Erschließungsaufwandes zugunsten gemeinschaftlicher Begegnungsflächen.
  • Für den Anspruch des Konzeptes, im Freiraum Angebote für die Haus- wie für die Quartiersgemeinschaft zu machen, ist ein qualifiziertes Freiraumkonzept zwingend erforderlich. Dabei sind der Umgang mit der Topographie, die Begrünung der Freiflächen, Baumpflanzungen, die Reduzierung der straßenseitigen Zugänge, die Organisation des ruhenden Verkehrs und die Unterbringung der Fahrradboxen wie der Fahrräder im Freien zu thematisieren.

Der Beirat sieht eine Wiedervorlage nach Überarbeitung für erforderlich an.