Sitzungen des Gestaltungsbeirats

TOP 1: Neubau eines Wohngebäudes für Menschen mit Behinderung

Staufener Straße 46 | Haslach

Planverfasser: Ernst² Architekten AG, Stuttgart

Art der Beratung: Erstberatung, Beratung in öffentlicher Sitzung in Präsenz

Protokoll

Die Initiative eines Elternvereins, als Bauherr ein neues Wohngebäude für Kinder und Jugendliche mit mehrfacher Behinderung zu errichten, wird vom Gestaltungsbeirat ausdrücklich gewürdigt. Zudem begrüßt der Beirat sehr, dass ihm frühzeitig der Stand der Planung vorgelegt wird.

Die Herleitung des Bauvorhabens ist schlüssig dargelegt und gut nachvollziehbar. Eine Variantenprüfung ergab, dass das Bestandsgebäude des „Hotel Helene“ nicht zu erhalten ist. Die Unterschiede in den Gebäude- und Geschosshöhen sowie die mangelnde Qualität der späteren Anbauten in Städtebau und Architektur erschweren eine sinnvolle Umnutzung des Bestandsgebäudes über Gebühr. Somit wurde sich für einen Neubau entschieden.

Der grundsätzliche Ansatz, mit dem neuen Gebäude die stadträumliche Geometrie aufzugreifen und die Ecke des Baufeldes zu betonen, wird positiv gesehen. Auch die gesamtmaßstäbliche Einordnung einer dreigeschossigen Bebauung plus Dachgeschoss ist nachvollziehbar und wird positiv bewertet. Das Bauvorhaben in seiner Positionierung sowie architektonischen Ausprägungen ist allerdings noch nicht voll überzeugend und bedarf aus der Sicht des Gestaltungsbeirats einer Überarbeitung.

Dabei sollten vor allem folgende Gesichtspunkte berücksichtigt werden:

  • Die deutliche Überschreitung der straßenseitigen Bauflucht an der Staufener Straße greift in ein kohärent bestehendes Raumgefüge ein. Dies stört den städtebaulichen Gesamtzusammenhang empfindlich und kann vom Beirat nicht befürwortet werden. Eine leichte Überschreitung der Bauflucht, insbesondere durch untergeordnete Bauteile wie Erker, Balkone oder weiteren gebäudeplastischen Elementen ist hingegen vorstellbar. In Abstimmung mit dem Stadtplanungs- und Baurechtsamt kann zudem eine Befreiung vom Baufluchtenplan entlang der Gerstenhalmstraße in Aussicht gestellt werden, da die Bauflucht hier anhand der Bestandsbebauung nicht ablesbar ist.
  • Durch die Auflösung in zwei Baukörper mit vermittelnder Glasfuge wird eine verhältnismäßig große Grundfläche in Anspruch genommen, die große Flächenteile des Grundstücks besetzt und den Freiraum verkleinert. Es wird angeregt, über ein stärkeres Zusammenschieben der Baukörper zu einem Volumen mit geringerer Grundfläche zu gelangen.
  • Die zur Staufener Straße ausgebildete, nur schwach gefensterte Stirnseite wird dem stadträumlichen Anspruch an dieser Straßenkreuzung nicht gerecht. Die Planer werden angehalten hier ein städtischeres Erscheinungsbild zu erarbeiten.
  • Die Eingangssituationen in die Nutzungen „Wohnen“ und „Ärztehaus“ sind den Bedeutungen der Nutzungen entsprechend noch nicht adäquat ausgeprägt. Der Eingang für das Wohnen liegt eher untergeordnet und „um die Ecke“ versteckt, während der repräsentative Haupteingang dem Ärztehaus vorbehalten wird. Hier sollte dem Eingang in das Wohnhaus eine größere Bedeutung, mindestens aber Gleichwertigkeit zugmessen werden.

  • Die funktionalen Überschneidungen im Erdgeschoss zwischen Arztpraxis und Wohnen sorgen für Unklarheit in der Erschließung und den Bewegungsräumen. Die Zuordnung, insbesondere der erdgeschossigen Wohnung im Ärztebereich sowie die Erschließung des Gartens für die Bewohner sollten dahingehend nochmals überdacht werden.
  • Die verschiedenen Nutzungen (betreutes Wohnen, Azubi-Wohnen, Mitarbeiterwohnen, Barrierefreie WG, Arztpraxis) sind zu hinterfragen, da sich hierdurch viele verschiedene Zwangspunkte in der Planung ergeben. Eventuell würde es den Planungsprozess vereinfachen sowie das Projekt verbessern, wenn die unterzubringenden Nutzung etwas reduziert würden.
  • Durch die vielen verschiedenen Nutzungen ergeben sich viele unterschiedliche Eingangssituationen. Es wird empfohlen, die Eingänge zu bündeln.
  • Das im oberen Bereich „abgeschnittene“ Mansarddach kann formal noch nicht überzeugen. Es wird empfohlen zu untersuchen, ob mit der Ausbildung eines echten Mansarddaches mehr nutzbare Flächen entstehen oder ggf. notwendige technische Aufbauten untergebracht werden können, die an anderer Stelle mehr Freiheiten eröffnen.

Die Frage nach der Parkierung, Zufahrt, An- und Ablieferung erscheint noch nicht ausreichend bearbeitet. Das Gremium dankt der Bauherrschaft und der Architektenkollegin für die sehr gute Projektvorstellung und die offene Diskussion. Die vorliegende Bauaufgabe ist anspruchsvoll und komplex. Das Raumprogramm nimmt viel Fläche des Grundstücks in Anspruch und die funktionalen Abhängigkeiten zwischen den einzelnen Nutzungsbausteinen sind zahlreich.

Der Gestaltungsbeirat bietet aus diesem Grund und aus Gründen der Verfahrensbeschleunigung an, die städtebauliche und bauliche Konfiguration sowie die funktionale Organisation des Bauvorhabens gemeinsam in Form eines kleinen Workshops zu entwickeln.