Honig im Blut? – Teil 1
Ein Interview mit Roland Kälble von der Stadtimkerei Freiburg
Woher kommt eigentlich der Honig? Wie wird man Imker_in? Und was ist das Faszinierende an diesem Beruf, den auch immer mehr Privatpersonen als Hobby betreiben? Ich war neugierig, wollte es genau wissen und habe mich deswegen vor einiger Zeit mit Roland Kälble von der Stadtimkerei Freiburg verabredet. Von ihm stammt übrigens auch das lebende Bienenvolk, welches ab September 2018 wieder in der Ausstellung "Mensch Biene!" im Museum Natur und Mensch zu bestaunen ist. Beim wöchentlichen Besuch und der Pflege seiner summenden Arbeiterinnen im Museum schaute ich ihm über die Schulter.
Lieber Herr Kälble, ich freue mich, dass Sie Zeit für ein Gespräch mit mir haben. Ich möchte den Leser_innen des Mensch Biene! Blogs heute einen kleinen Einblick in Ihren spannenden Beruf als Imker bieten und habe ein paar Fragen vorbereitet. Können Sie mir zunächst sagen, wonach Sie bei der Kontrolle Ihrer Bienen hier im Museum genau schauen?
Ich schaue, wie die Raumverhältnisse im Schaukasten sind und dass die Bienen genug Platz haben, aber auch danach, wo sie Honig eintragen können. Außerdem kontrolliere ich, dass sie nicht in Schwarmstimmung kommen. In diesem Fall würde ich rechtzeitig einen Teil der Bienen oder der Brut entnehmen und daraus gesteuert junge Völker bilden. Genauso macht man es übrigens auch in der Imkerei.
Was bedeutet Schwarmstimmung genau?
Das ist der natürliche Teilungsprozess oder die Vermehrung eines Bienenvolks. Wenn die Zahl der Brut groß ist und die Bienen genug Vorräte haben, die sogenannte Bienenmasse, entscheidet das Volk, dass es in Schwarmstimmung kommt. Die Königin legt dann ein neues Ei für eine Nachfolgerin und wird gleichzeitig "auf Diät" gesetzt, um keine weitere Brut zu erzeugen und flugfähig zu werden – andernfalls wäre sie zu schwer und könnte nicht ausschwärmen. Bevor die neue Königin schlüpft, zieht die alte mit der Hälfte des Volks aus und sucht sich ein neues Zuhause. Das sind die Bienenschwärme, wie man sie vielleicht um die Jahreszeit in der Stadt oder im ländlichen Gebiet kennt. Zurück bleiben die Vorräte, die vorhandene Brut und ungefähr die Hälfte der bestehenden Arbeiterinnen samt neuer Königin.
Sie haben ja sogar ein Bienen-Tattoo. Haben Sie denn schon immer Honig im Blut und sind deswegen Imker geworden?
„Wir waren sofort infiziert“
Nein. Anfangs gab es überhaupt keinen Bezug zur Imkerei. Ich hatte über drei Jahre einen urbanen Garten. Irgendwann dachte meine Frau, dass Bienenvölker ganz gut dazu passen könnten. Damit hat sie durchaus Recht gehabt! Sofort nach dieser Idee waren wir auch schon infiziert. Wir haben uns einen Erwerbsimker gesucht – und glücklicherweise auch gefunden –, der uns sein Handwerk von Grund auf lehrte. Daran haben wir so viel Spaß gefunden, dass sich das bis heute gut entwickelt hat.
Und wie lange hat es gedauert, das Imkern zu erlernen?
Wer das Imkern wirklich von Grund auf lernen möchte, braucht viele Erfahrungen. Ich würde sagen, um professionell Imkern zu können – ähnlich, wie in einem Lehrberuf – mindestens zwei bis drei Jahre. Wir hatten das Glück, einen Imker zu kennen, den wir bei Fragen rund um die Uhr anrufen konnten. Das war unglaublich wichtig – denn in jedem Volk sieht es anders aus. Dafür gibt es kein Patentrezept, wie Lehrbücher oder Youtube-Videos.
Was bedeutet das Imkern für Sie? Was macht Sie daran glücklich?
Glücklich bin ich jeden Tag! Die Faszination am Bienenvolk ist gigantisch. In den drei Wochen zum Beispiel, als der Schaukasten aus der Ausstellung „Mensch Biene!“ noch bei uns stand, gab es kaum einen Tag, an dem ich nicht „Fernsehen geschaut“ habe. Ich kann das Bienenvolk problemlos den ganzen Tag beobachten und dabei etwas Neues entdecken. Natürlich ist das nicht die Hauptaufgabe eines Imkers, aber für mich nice to have. Gleichzeitig ist das Beobachten auch wichtig, um mit den Völkern zu arbeiten. An der Imkerei schätze ich, dass es eine wahnsinnig vielfältige Tätigkeit ist. Vor allem, da ich die Produkte auch selbst abfülle, etikettiere und vermarkte. Die Arbeit ist über das Jahr hinweg unglaublich abwechslungsreich. Momentan schauen wir die Völker wöchentlich auf Schwarmstimmung durch. Ich bin aktuell aber auch an dem Punkt, an dem ich das Gefühl habe, genug Völker von innen gesehen zu haben und freue mich schon jetzt auf das Abfüllen, Etikettieren sowie den Weihnachtsmarktverkauf. Hingegen brenne ich Ende des Winters dann wieder darauf, die Völker aufzumachen und hineinzublicken.
Können Sie für unsere Leser_innen einmal einen ganz normalen Arbeitstag beschreiben?
„Ich arbeite oftmals dort, wo andere Urlaub machen.“
Neben dem Abfüllen und Etikettieren von Honig, reinige und repaiere ich im Winter das Material, sodass ich im neuen Jahr wieder starten kann. Im Sommer arbeite ich meist 12 – 14 Stunden. Natürlich sind das viele Tage, die ich in mitten der Natur verbringe und trotz der Arbeit einen recht hohen Freizeitwert habe. Mir ist bewusst, dass ich oftmals dort arbeite, wo andere Urlaub machen. Wie bereits erwähnt, führe ich aktuell die Schwarmkontrolle durch und ernte zum Teil sogar schon den Honig. Zwischendurch schleudere, sammle und richte ich das Arbeitsmaterial – teilweise mehrmals täglich. Außerdem sichte ich die Völker, erweitere sie und bilde gegebenfalls Jungvölker. Den klassischen Arbeitstag gibt es in der Imkerei zum Glück nicht. Jeder Tag ist unterschiedlich – schon allein durch die vielen Orte, an denen die Bienen stehen. Daher wandere ich zwischendurch viel in den Trachten, um sortenreinen Honig zu bekommen. Der erste Ausflug im Jahr geht meist zum Schönberg, da dort die Kirsche blüht. Danach in die Robinie für Akazienhonig und gegen Ende der Saison hoffe ich, im Wald zum Beispiel Tannenhonig zu bekommen. Letztendlich muss ich jedoch sehen, was die Natur zulässt.
Werden Sie bei der alltäglichen Arbeit oft gestochen?
Es lässt sich nicht vermeiden und tut nach wie vor weh – der erste, wie der letzte Stich im Jahr. Daran gewöhne selbst ich mich leider nicht. Aber die Schwellung und das Jucken werden mit der Zeit deutlich besser. Was früher eine Woche abheilen musste, ist heute in ein paar Stunden – wenn überhaupt – längst vergessen.
Neugierig, wie es weiter geht? Im zweiten Teil des Interviews erfahrt ihr nächste Woche, warum es der Biene heutzutage in der Stadt besser geht als auf dem Land, ob sich Autoabgase auf die Qualität von Stadthonig auswirken und wie die Welt ohne unsere fleißigen Arbeiterinnen aussehen könnte.
Hinweis:
Aktuell befindet sich der Schaukasten mit dem lebenden Bienenvolk in der Behandlung gegen die Varroa-Milbe und ist ab September wieder in der Ausstellung „Mensch Biene!“ zu sehen.