Schlurfende Schritte auf dem Dachboden, ein Teppich wird zur Schlange, Brötchen fliegen wie Schwalben durch die Luft... Es spukt! Oder war alles nur Einbildung? Vielleicht Täuschung oder gar Betrug? Phänomene, die gegen den gesunden Menschenverstand verstoßen, werden oft tabuisiert. Dennoch üben sie eine unwiderstehliche Faszination aus. In Freiburg werden sie seit den 1950er Jahren sogar wissenschaftlich dokumentiert und untersucht.
Der Fotograf und Bildjournalist Leif Geiges (1915–1990) arbeitete über viele Jahre mit dem Parapsychologen Professor Hans Bender (1907–1991) zusammen, der an der Freiburger Universität lehrte. Er begleitete ihn zu Spukuntersuchungen, bei denen die geschilderten Vorkommnisse nachgestellt und fotografiert wurden. Außerdem illustrierte er weitere Forschungsfelder wie magische Praktiken, beispielsweise das Gläserrücken, und dokumentierte Experimente zur außersinnlichen Wahrnehmung im von Bender gegründeten Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene e. V.
Die Ausstellung präsentiert zum ersten Mal umfassend das beeindruckende Bildmaterial, das zu seiner Entstehungszeit auszugsweise in Magazinen erschien. Sie gibt einzigartige Einblicke in ein wissenschaftliches und gesellschaftliches Spannungsfeld der Nachkriegszeit.
Aktuell in der Ausstellung
Vermittlungsangebote
Der Buchungsservice informiert unter Telefon 0761 / 201-2501 oder per Mail an museumspaedagogik@stadt.freiburg.de über Führungen und Vermittlungsangebote für Kindergärten, Schulen und inklusive Gruppen.
Ein Einblick in die Ausstellung
Wissenschaft des Übersinnlichen
Im Juni 1950 eröffnete Hans Bender in Freiburg-Herdern das Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene e. V.. Mit seiner neuen Forschungseinrichtung wollte er belegen, dass die Parapsychologie kein „suspektes Hobby“ darstellt, sondern eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit umstrittenen Themen wie der Außersinnlichen Wahrnehmung oder auch Spukphänomenen durchaus möglich ist. Leif Geiges fotografierte das Gebäude und bildete mit seiner Kamera verschiedene Arbeitsbereiche ab. Dazu zählten Laborexperimente und Überprüfungen begabter Medien, wie den Hellseher Gerard Croiset. Um 1970 dokumentierte Geiges erneut solche Forschungen, etwa mit dem neuentwickelten „Psi-Recorder 70“.
Magische Praktiken
Leif Geiges gestaltete für Hans Bender ebenfalls eine Bildserie über magische (oder: „okkulte“) Praktiken, die seit der Mitte des 19. Jahrhunderts populär wurden. Angeblich ließ sich etwa mit dem Tischrücken oder dem Automatischen Schreiben eine Verbindung mit der jenseitigen Welt herstellen. Bender untersuchte jedoch die Arbeitsweise unbewusster „Mitteilungen der eigenen Psyche“ sowie die Entfaltung bestimmter paranormaler Phänomene wie der Telepathie oder des Hellsehens. Außerdem erkannte er in den in der Nachkriegszeit weit verbreiteten Praktiken ein „nicht zu unterschätzendes“ soziales und gesellschaftliches Problem, da sie meist in unkritischer oder betrügerischer Form verwendet wurden.
Spuk am Chiemsee
Der Auftrag einer Zeitschrift brachte Hans Bender und Leif Geiges erstmals 1949 zusammen. Bender sollte einen Spukfall in Lauter untersuchen, den eine Betroffene in einem „Tatsachenbericht“ dokumentiert hatte: Zwischen Juni 1946 und Februar 1948 seien in ihrer Wohnstätte „schlimme Angriffe“ seitens „aggressiver Hausgeister“ aufgetreten, die meist Hausrat und manchmal Personen zum Ziel hatten. Bender interviewte die Zeugen und führte psychodiagnostische Tests durch, um z. B. deren Hang zur Sinnestäuschung festzustellen. Geiges realisierte „fotografische Rekonstruktionen berichteter Spukphänomene“. Damit wurden ebenfalls Aussagen auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft sowie aussagekräftige Bilder zur Berichterstattung geschaffen.
Der wandernde Spuk
Im März 1947 soll der Spuk von Lauter ins nahe Vachendorf „hinüber gesprungen“ sein: In dem Haushalt einer anderen Familie ereigneten sich ebenfalls turbulente Vorfälle, die häufig an kindlichen Schabernack erinnerten. Manchmal nahmen sie allerdings auch bedrohliche Züge an, wie unerklärbare Würfe mit schweren Gegenständen. Hans Bender führte seine Feldforschung ähnlich wie in Lauter durch, wobei Leif Geiges erneut geschilderte Spukphänomene nachinszenierte. In beiden Fällen galt Bender ein Familienmitglied im Pubertätsalter als Auslöser des Spuks – als sogenannte „Fokus-Person“. Er meinte, dass sich aufgestaute innere Konflikte paranormal „entladen“ und durch psychokinetische Phänomene „objektiviert“ hätten.
Technik und Geister
Im Sommer 1951 dokumentierte Leif Geiges die Untersuchung eines Spukhauses in Neusatz, die Hans Bender in Kooperation mit dem Landeskriminalamt Baden durchführte. Erstmals wurde Bender mit noch andauernden Phänomenen konfrontiert, allerdings konnte er selbst keines unmittelbar beobachten. Geiges hielt die Befragungen der aufgewühlten „Spukbetroffenen“ fest und war außerdem am Aufbau einer „Kamerafalle“ beteiligt. Sie sollte automatisch Phänomene registrieren, wie das häufige Verschwinden von Vorhängen. Allerdings passierte etliche Tage nichts. Dennoch galt das Unterfangen als Erfolg: Der Spuk war während des Experiments abgeflaut. Geiges betitelte daher eine Bildreportage mit: „Technik vertreibt böse Geister“.
Spontane Phänomene
Berichte über Todesahnungen, Wahrträume oder erlebte Spukerscheinungen galten Hans Bender als unverzichtbares Rohmaterial der parapsychologischen Forschung. Er fand die geschilderten Erfahrungen sogar beeindruckender als Laborversuche zur Außersinnlichen Wahrnehmung, da sie „die Einbettung des Parapsychischen in schicksalshafte Zusammenhänge“ zeigten. Er baute daher eine umfangreiche Fallsammlung auf, wofür er sich wiederholt über die Massenmedien an die Öffentlichkeit wandte. Leif Geiges illustrierte einige Berichte, die Bender häufig in Vorträgen und Publikationen erwähnte. Dazu zählte ein „Ankündigungsphänomen“, bei dem ein Künstler mittels Zeichnungen den tödlichen Unfall seines Bruders vorausgesehen haben soll.
Spukhafte Szenen
Zwischen 1949 und 1954 war die produktivste gemeinsame Schaffensphase von Leif Geiges und Hans Bender. Sie resultierte in einem einzigartigen fotografischen Panorama, das den Beginn der parapsychologischen Forschung hauptsächlich am IGPP zeigt. Die Zusammenarbeit inspirierte Geiges außerdem zu einer Reihe anderer Fotografien. Sie waren zwar von der experimentellen Ästhetik der Inszenierungen paranormaler Phänomene beeinflusst, betrafen jedoch andere Themen. So gestaltete er Fotomontagen über die gesellschaftliche Zurückweisung eines entlassenen Strafgefangenen, über alptraumhafte Begegnungen mit Ungeziefer oder über Halluzinationen, die eine Frau im Meskalinrausch erlebt hatte.
Okkulte Lichtbilder
Leif Geiges reproduzierte häufig Material aus den Sammlungen des Instituts von Hans Bender, entweder in dessen Auftrag oder zur Ergänzung eigener Reportagen. Ein Schwerpunkt lag dabei auf Fotografien, beispielsweise aus der Periode des Spiritismus und „wissenschaftlichen Okkultismus“ um 1900. Damals besaßen sie in Debatten um den Nachweis von paranormalen Phänomenen eine große Bedeutung. Außerdem befasste er sich mit Bildmaterial seiner Zeit. Dazu zählten neben Aufnahmen von Spukfällen auch die „Gedankenfotografien“ von Ted Serios, die Bender um 1970 intensiv beschäftigten. Anstelle der Reproduktionen werden die Originaldokumente mit einigen von Geiges verfassten Bildbeschreibungen gezeigt.