Die Wertschätzung und damit der Stellenwert von Natur und Erholung, Gesundheit und Bewegung nimmt u.a. aufgrund des Klimawandels zu. Um die bedeutsamen Flächen für Natur und Erholung und Bewegung in ihrem Umfang zu erhalten, werden Nachverdichtungsmaßnahmen (Aufstockung des Wohnens, Gewerbe etc.) von der Bevölkerung in unbedenklichen Räumen tendenziell vermehrt akzeptiert.
Die steigende Bevölkerungsdichte in Freiburg erhöht die gesellschaftliche Bedeutung des öffentlichen Raums für Erholung und Bewegung sowie als Treffpunkt. Es steigen die Anforderungen an die Aufenthaltsqualität außerhalb der eigenen Wohn- und Arbeitsräume. Diese Entwicklung wird durch neue Arbeitsformen (z.B. Zunahme von Home Office) noch verstärkt.
Klimaanpassung, Umweltschutz und Erhalt der Biodiversität sind qualitatives Maß der Stadtentwicklung und finden sich als Querschnittsthema in allen Bereichen wieder. Ob Wohnen, Gewerbe oder innerstädtische Grünflächen - alle Stadtfunktionen werden auf ihre Potenziale hinsichtlich ihrer Funktion für Klima und Artenvielfalt geprüft, neu gedacht und ggf. notwendige Anpassungsmaßnahmen ergriffen.
Die Funktionen der Natur-, Erholungs- und Bewegungsflächen werden im gesamten Freiburger Stadtgebiet bei Flächen für Wohnen, Gewerbe und sonstige Infrastrukturanlagen integriert betrachtet. Bisher ungenutzte Potenziale für Erholungs- und Bewegungsräume werden erschlossen und bilden somit eine funktionale Ergänzung zum städtischen Freiraumsystem. Ein verknüpftes Netz aus grüner Infrastruktur in Form von begrünten Fassaden, Dachgärten, Straßenbegleitgrün und „grünen Oasen“ in dicht bebauten Arealen, bietet Menschen und Tieren wertvolle Rückzugsräume und Entlastungsflächen.
Da eine Ausweitung nur begrenzt möglich ist, werden die vorhandenen Grünflächen neu gedacht und wenn möglich für die Freizeit, Erholung und Bewegung nutzbar gemacht. Flächen anderer Stadtfunktionen werden durch Mehrfachnutzung ebenfalls für Natur und Erholung erschlossen (z.B. Nutzung von Freibadgelände und Schulhöfen für Freizeitaktivitäten, Begrünung von Fassaden, Aktivierung von Dachgärten für die Artenvielfalt auf großflächigen Gewerbeflächen. So werden bspw. zentral gelegene Friedhofsflächen zu attraktiven Erholungsräumen und Retentionsräume im Sinne der „Schwammstadt“ zu wertvollen urbanen Naturerfahrungsräumen.
Durch die funktionelle und gestalterische Aufwertung städtischer Grün- und Freiräume werden diese in ihren Funktionen gestärkt (z.B. durch eine bessere Erlebbarkeit der Wald- & Wiesenflächen oder die Aufwertung des Dreisamuferbereichs).
Durch ökologische Ausgleichs- und Aufwertungsmaßnahmen wird die Erlebbarkeit der siedlungsnahen Wald-, Wiesen- und Gewässerflächen verbessert und der Biotopverbund für Tiere und Pflanzen in der Region gefördert.
Überwiegend besteht die Strategie, das Ausschöpfen des ökologischen Potenzials (z.B. der Funktionen für den Klima- und Artenschutz oder für die Biodiversität) bestehender Grünflächen mit einer verbesserten Nutzung von Flächen vor allem im Siedlungsbereich zu vereinbaren. Im Grenzbereich zu schutzwürdigen und geschützten Bereichen müssen vermehrt Besucherlenkungsmaßnahmen umgesetzt werden.
Obwohl kaum neue große Flächen entstehen, wird somit insgesamt für mehr Grün in der Stadt gesorgt (graue Flächen grüner machen - Fassaden, Dächer, versiegelte Flächen wie z.B. Straßenräume). Die Hauptaufgabe besteht darin, die Qualität der bestehenden Flächen zu erhöhen bzw. zu sichern. Zum einen für den Klimaschutz, die Klimaanpassung und den Erhalt der Artenvielfalt, zum anderen für die Aufenthaltsqualität der Bewohner_innen.
Eine große Herausforderung besteht darin, die wohnortnahe Zugänglichkeit der Flächen für alle zu sichern und eine Nutzungsvielfalt auf den begrenzten Flächen zu gewährleisten. Dem soll verstärkt durch eine bessere Vernetzung von Grünflächen, Mehrfachnutzung als Strategie oder dem Ausbau gut erreichbarer Angebote in der Region begegnet werden (per Rad oder ÖPNV). Gleichzeitig gilt es, dem Risiko einer Übernutzung der vorhandenen Flächen durch den Bevölkerungszuwachs und höheren Dichten entgegenzuwirken. Die Stadt sieht sich gezwungen ggf. erhöhte Auflagen und Beschränkungen durchzuführen, um eine ausgewogene Nutzung und den Schutz der Grünräume nachhaltig zu gewährleisten.
Potenzielle Konflikte und Herausforderungen
- der Nutzungsdruck auf die vorhandenen Grün- und Freiflächen steigt, da nur wenige neuen Flächen ausgewiesen werden: dadurch entsteht die Herausforderung, dass insbesondere sensible und schützenswerte Flächen noch stärker vor einer Übernutzung geschützt werden müssen
- Erreichbarkeit von regionalen Grünflächen durch den Umweltverbund (ÖPNV und Radverkehr) muss auch für den Freizeitverkehr flächendeckend sichergestellt sein
- ausreichend Grün- und Freiräume bei höherer baulicher Dichte und steigenden Nutzungsanforderungen
- Grün als Querschnittsaufgabe vs. hohe Kosten für Entwicklung und Instandhaltung
- starke Konkurrenzsituation unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen um Freiflächen erfordert die Priorisierung von weniger mobilen Bevölkerungsgruppen, die zwingend auf eine wohnortnahe Versorgung mit Grün-, Sport- und sonstigen Freiflächen angewiesen sind (z.B. Kinder und Jugendliche) bzw. das Abwägen von Bedarfen und Anforderungen
- Nicht alle Grün- und Freiflächen sind für eine Mehrfachnutzung geeignet, es bedarf ebenfalls Flächen, die ausschließlich dem Naturschutz dienen
Handlungsansätze
Bauleitplanung (FNP 2040):
- Sensible Bereiche für den Naturschutz definieren: Darstellung von Bereichen, die für eine Mehrfachnutzung im Sinne des Naturschutzes nicht geeignet sind. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass eine Mehrfachnutzung bspw. in den Bereichen Natur- und Artenschutz, Gewässerschutz und bei Ausgleichsflächen nur als „zweitbeste Lösung“ bewertet werden kann. Denn mit einer Mehrfachnutzung von Flächen sind vielmals der Verlust der Naturqualitäten und ein Verlust von biologischer Vielfalt verbunden.
- Darstellung von Flächen, die eine hohe Bedeutung für die Biodiversität und den Artenschutz haben: diese Flächen sind aufgrund ihrer Lebensraumvielfalt und/oder Seltenheit nach Möglichkeit zu erhalten und bieten auch weitere wichtige Leistungen für die Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts bspw. artenreiches Nass- und Feuchtgrünland sowie mageres Grünland, bspw. Ruderalflächen im Siedlungsbereich mit Spontan-Vegetation, Streuobstwiesen oder auch Kernflächen für den Biotopverbund.
- Mehrfachnutzung von Flächen als Leitidee aufnehmen und neue Nutzungskategorien für den FNP 2040 entwickeln: um im Sinne der Mehrfachnutzung verträgliche Nutzungen im Siedlungsbereich zu kombinieren. Entwicklung von Kategorien, um bspw. Siedlungsbereiche mit besonderen Freiraumfunktionen (bspw. auf Grundlage von Fachgutachten zum Stadt- und Landschaftsbild, Biotopvernetzung, Artenvielfalt, Klimaanpassung, Entwässerung, Entsiegelung, Erholungs- und Bewegungsfunktion) oder Bauflächen mit zu sichernden Grünfunktionen/ besondere Planungserfordernis bei Innenentwicklungsvorhaben im FNP 2040 darzustellen.
- Mehrfachnutzung von innerstädtischen Grünräumen im Flächennutzungsplan darstellen: bspw. zur Darstellung der Nutzungspotenziale von Friedhofsflächen, die im Sinne der Klimaadaption, der Biodiversität und der Erholungs- und Bewegungsfunktion aufgewertet werden können. Der Ausbau der grünen und sozialen Infrastruktur erfolgt bedarfsgerecht unter Berücksichtigung der Bedürfnisse der Bürgerschaft nach Orten der Begegnung und dem Bedarf an Naherholungsgebieten.
- Verträgliche Mehrfachnutzung von Land- und Forstwirtschaftsfläche zu Natur- und Erholungs- und Bewegungszwecken: z.B. neue Kategorie zur Darstellung von multicodiertem Grün- und Offenland mit einer hohen Naherholungsbedeutung. Im Gegenzug auch Darstellung von schutzbedürftigen Flächen, die nicht für eine Mehrfachnutzung im Sinne der Naherholung geeignet sind (z.B. Wildruhezonen oder Kernzonen von Schutzgebieten für Natur- und Landschaft).
- Entwicklungssensible Bereiche darstellen: Kennzeichnung besonders entwicklungssensibler Ortsränder aus Sicht des Landschaftsbildes, der Klimaadaption und des Erhalts der biologischen Vielfalt.
- Grünflächen ohne definierte Nutzung zur freien Gestaltung/ Aneignung durch Bewohner_ innen: z.B. co-kreative Gestaltung von Plätzen durch die Nachbarschaft oder urbanes Gärtnern sowie Vertical Farming.
- Entsiegelung und Klimapassung: Freiburg als wassersensible Stadt, weist Flächen aus, die sich für Entsiegelung eignen, um mehr Versickerung und Begrünung zu ermöglich. Dem wichtigen Punkt der Klimaanpassung wird so Rechnung getragen.