Kernentwicklungen
Gesundheit und eine ökologische Lebensweise sind den Freiburger_innen ein hohes Gut: Sie ernähren sich gesund, bewegen sich viel und halten sich gerne draußen auf. Eine geringe wirtschaftliche Dynamik lässt in Verbindung mit der Zunahme unsicherer Arbeitsverhältnisse das durchschnittliche Einkommensniveau im Vergleich zu Anfang der 2020er Jahre sinken. Suffizienz (die Minimierung des eigenen ökologischen Fußabdrucks) erhält einen kräftigen Schub. In Kooperation mit der Region wurde eine Kreislaufwirtschaft realisiert, also eine weitestgehende Wiederverwertung von Produkten und Materialien. Die stetig gewachsene Dichte verteilt sich in die Region. In den Ortslagen haben sich kleinere Zentren herausgebildet, in denen alles auf kurzen Wegen mit Rad- oder Fußverkehr erreichbar ist und die durch einen gut ausgebauten ÖPNV miteinander verbunden sind.
Eine gesunde und ökologische Lebensweise ist den Bewohner_innen der „Gesunden Selbstversorgerstadt“- Freiburg wichtig. Der soziale Druck, sich gesund zu ernähren, Sport zu treiben und eben „gesund zu sein“, wird von einigen als „Wohlfühl-Diktat“ angeprangert. Milieus, die diesen Weg nicht mitgehen wollen oder können, haben einen schweren Stand.
Stadtgesellschaft
Insgesamt wird die geringe wirtschaftliche Dynamik nicht als rein negativ empfunden, sondern als Antrieb für einen nachhaltigen Lebensstil und ausgeglichene „Work-Life Balance“. Leihen, Tauschen, Upcycling haben sich in der regionalen Kreislaufwirtschaft als relevante Geschäftsmodelle etabliert. Soziale Unterschiede sind in der Stadt sichtbar größer geworden. Während viele Menschen in den letzten 20 Jahren Einkommenseinbußen hinnehmen mussten und den Konsum reduziert haben, konnten einige Menschen ihren hohen Lebensstandard und Verbrauch an Konsumgütern erhalten oder gar ausbauen. Diese Unterschiedlichkeit zeigt sich u.a. darin, dass in einigen exklusiven Lagen abgeschlossene Siedlungen (Gated Communities) entstanden sind.
Bezug zur Region
Die Region arbeitet im Bereich der ökologischen Kreislaufwirtschaft eng zusammen. Durch die positiven Kooperationserfahrungen rücken seit den 2030er Jahren zusehends auch andere Themen (z.B. Mobilität) auf die gemeinsame Agenda.
Klimawandel & Artenschutz
Das ausgeprägte ökologische Bewusstsein und die Verringerung des Konsums haben positive Effekte für die Umwelt und eine klimagerechte Stadtentwicklung. Regionale und ökologische Produkte sowie selbst angebautes Gemüse werden von Vielen bevorzugt: ein Plus für den Erhalt von landwirtschaftlichen Flächen und den Artenschutz.
Zielkonflikte
Es fehlt der Stadt die finanzielle Kraft, um steuernde Impulse zur Überwindung der Verarmung sozialer Gruppen und der zunehmenden Polarisierung zu setzen und Investitionen in notwendigen Um- und Ausbau der Infrastruktur zu tätigen. Die Umstellung auf eine weitestgehend regional ausgerichtete Kreislaufwirtschaft stellt einige Unternehmen vor große Herausforderungen. Um Ausnahmeregelungen wird immer wieder gerungen.
Stadtfunktionen
Wohnen
Die Anforderungen an Wohnraum richten sich an Gesundheits- und ökologischen Aspekten aus. Es wird Wert gelegt auf eine gute Anbindung an medizinische und Sport- Einrichtungen, Grün- und Freiräume, leise Umgebungen und ähnliches.
Dort, wo renoviert, saniert oder verdichtet wird, wird auf die Einhaltung ökologischer Standards und effiziente Nutzung von Ressourcen geachtet. Der Hausbesitz verschiebt sich – nicht zuletzt wirtschaftlich bedingt – von einzelnen Privatpersonen zu gemeinschaftlichem Besitz. Es entsteht eine Vielfalt von Engagement und Wohnformen: genossenschaftliche Projekte, Crowd-Funding im Wohnungsbau, generationenübergreifende Wohnprojekte usw. Alte Gebäude werden selten abgerissen, sondern es wird fast ausschließlich umgebaut und erweitert. In der Baustoffbörse werden alte Teile vom Fenster bis Scheunentor gehandelt und der Wiederverwertung zugeführt.
Die Wohnfläche pro Kopf ist aufgrund der Zunahme von Wohnformen, in denen Räume gemeinschaftlich genutzt werden (z.B. Küche, Werkraum, Wohnzimmer), deutlich zurückgegangen.
Die Kernstadt hat verhältnismäßig an Relevanz verloren. Stadtteile und Ortslagen sind preislich attraktiver, sind seit den 2030er Jahren funktional gut ausgebaut und bieten mehr Ruhe und weniger Emissionsbelastung. In einigen besonders ruhigen und schönen Lagen sind abgeschlossene, exklusive Siedlungen für die reicheren Bewohner_innen der Stadt entstanden (Gated Communities), die umfassende Wellness- und Gesundheitsservices bieten.
Flächenverbrauch & -nutzung:
Der Anteil an Flächen für Wohnnutzung ist im Vergleich zu 2020 etwas gesunken. In den letzten zwei Jahrzehnten gab es viele Umbauten am Gebäudebestand der Stadt, so dass der Wohnraum nun besser gemeinschaftlich genutzt und geteilt werden kann. Dieses führt zu einem geringeren Flächenbedarf. Auch die neu entstandenen großflächigen Gated Communities konnten diesen Effekt nicht egalisieren.
Gewerbe
Nachhaltigkeit hat sich als prioritäres Konzept bei Konsument_innen und Hersteller_innen durchgesetzt. Dass sich klimabedingt globale Liefer- und Verwertungsketten als immer zuverlässiger erwiesen, beschleunigte die Etablierung der Kreislaufwirtschaft mit regionalem Fokus.
Stoffverwertung (Recycling), Upcycling und Reparatur sind Wachstumsbranchen für das Gewerbe. Gleichzeitig sind Geschäftsfelder eingebrochen: zum einen in den emissionsstarken und nicht in die Kreislaufwirtschaft integrierbaren Betrieben und zum anderen dort, wo die Do-it-yourself-Mentalität durchschlagen und Reparaturen selbständig durchgeführt werden konnten. Tauschen, Teilen und Leihen boten dem Gewerbe Gelegenheit, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln. Ruhige und emissionsarme Produktion darf in die Stadt, anderes Gewerbe wird in die Region verdrängt.
In der Region gibt es eine enge wirtschaftliche Kooperation. Die für die Kreislaufwirtschaft dringend benötigten zusätzlichen Gewerbeflächen (Wertstoffgewinnung und -lagerung) werden gemeinschaftlich festgelegt und entwickelt.
Flächenverbrauch & -nutzung:
Der Wandel hin zu einer regional orientierten Kreislaufwirtschaft und der Abkehr von globalen Lieferketten führten zu einem lokalen Wachstum an Gewerbeflächen. Ihr Anteil ist zunehmend, da durch neue Anlagen zur Wiederverwertung von Rohstoffen, sowie der lokalen Verarbeitung und Logistik mehr Platz vor Ort benötigt wird. Ähnlich wie in der Wohnnutzung wird auch im Gewerbebestand versucht, alte Gebäudestrukturen zu erhalten und sie an die neuen Anforderungen der Kreislaufwirtschaft anzupassen.
Natur und Erholung
Grün- und Freiräume haben gegenüber anderen Stadtfunktionen einen hohen Stellenwert erlangt.
Sehr viel Grün prägt das Bild der Stadt Freiburg und wird auch zur Versorgung genutzt: Ob in Parks, auf Brachflächen, auf Seitenstreifen und Verkehrsinseln – wo möglich sind Nutzgärten entstanden. Pflückgärten auf Balkonen, Gewächshäuser auf den Dächern etc. gehören zum Alltag.
Das Bewusstsein für den Erhalt der Biodiversität in der Stadt ist hoch. Viele Tiere finden einen Lebensraum in der Stadt. Der Pflanzenbestand wurde - soweit finanzierbar - konsequent auf die neuen klimatischen Bedingungen angepasst.
Freizeitbetätigungen finden vorwiegend draußen statt, nicht selten direkt vor der Haustür (z.B. Ballspiele, gesellige Treffen mit der Nachbarschaft). Freiräume und Wälder der Region werden geschützt und müssen nur vereinzelt den Gewerbeflächen der Kreislaufwirtschaft weichen.
Flächenverbrauch & -nutzung:
Der Wandel des Konsumverhaltens und ökologischen Einstellung der Freiburger_innen spielgelt sich auch in der Nachfrage und Nutzung von Grün- und Freiflächen wieder. Sie ist im Vergleich zu 2020 stark gestiegen. Entsprechend dieser Entwicklung wurden zusätzliche „konsumunfreie“ Grünräume und Plätze in der Stadt geschaffen. Dieses macht sich auch in einem gestiegenen Anteil in der Flächenbilanz bemerkbar.
Land- und Forstwirtschaft
Die Landwirtschaft hat sich umfassend auf ökologische und regionale Produktion umgestellt und ihre Produkte an die sich ändernden klimatischen Bedingungen angepasst.
Ökologischer Anbau und Konzepte wie die „Essbare Stadt“ (Obst- und Gemüsepflanzen auf öffentlichen Grünflächen) oder „Vertical Farming“ (gestapelte Gewächshäuser im urbanen Raum) prägen den Sektor und zielen auf eine hohe Qualität der Produkte. Viehwirtschaft findet sich in der Region nur ausgesprochen selten.
Der Direktvertrieb wurde als lukrativer Verkaufskanal entdeckt. Der Verkauf vom Hof und auf Märkten ist bei gesundheitsbewussten Menschen sehr beliebt. Auch Ansätze der „Solidarischen Landwirtschaft“ haben sich in der Region etabliert. Landwirtschaft wird vom Stadtkern bis weit in die Region hinein in all ihren Funktionen sichtbar.
Flächenverbrauch & -nutzung:
Landwirtschaftliche Nutzungen sind nicht nur im Außenbereich prägnant, sondern auch vielerorts in der Stadt entstanden. Während man in den Außenbereichen die landwirtschaftlichen Flächen vor einer Zweckentfremdung sichern konnte, sind in der Stadt auf vielen öffentlichen und privaten Grünflächen Nutzgärten entstanden. Der Anteil landwirtschaftlich und forstwirtschaftlich genutzter Flächen hat sich im Vergleich zu 2020 aber nicht sonderlich vergrößert, da der Ertrag der Flächen erhöht wurde und ergänzend Urban Farming auf Wohn- und Gewerbeflächen stattfindet.
Ver- und Entsorgung
Ver- und Entsorgung stellen in der „Gesunden Selbstversorgerstadt“-Freiburg seit langem eine der wichtigsten Stadtfunktionen im Sinne der Kreislaufwirtschaft dar. Durch nachhaltige Stromproduktion, Abwasseraufbereitung und hohe Recyclingquoten ist der Versorgungsbedarf vollständig erfüllt. Insgesamt ist der Versorgungsbedarf übrigens gesunken – abgesehen von den exklusiven, abgeschlossenen Siedlungen, wo der Verbrauch sogar gestiegen ist.
Die Stromproduktion für die Stadt wurde zum Teil dezentralisiert: Solar- und Windenergie (Kleinstanlagen auf Hausdächern) werden in den Quartieren erzeugt und gespeichert. Anlagen regenerativer Energiegewinnung (z.B. Windräder) in der Region ergänzen den Bedarf. Die Versorgungsnetze werden regional betrieben.
Flächenverbrauch & -nutzung:
Ver- und Entsorgungsflächen sind in der Flächenbilanz gestiegen – auch wenn Windräder auf vereinzelten Widerstand von Naturschützer_innen stießen. Insbesondere die Re- und Upcycling-Kreisläufe benötigen mehr Fläche als noch vor 20 Jahren.
Soziale Infrastruktur
Der Bedarf an Infrastruktur hat sich über die Jahre verändert: Kinderbetreuung wird flexibel gebraucht, je nach Arbeitsphasen der Erziehungsberechtigten. Für Anbieter erschwert das die Planbarkeit. Privat organisierte Kinderbetreuung hat deutlich zugenommen. Was die Versorgung von Senior_innen betrifft, so macht ihnen das niedrige Rentenniveau arg zu schaffen. Einen Platz im Altenheim können sich immer weniger Menschen leisten. Ältere Menschen organisieren sich öfters selbst und stellen für ihre Wohngemeinschaft Pflegepersonal ein. Die medizinische Versorgung ist seit den 2020er Jahren immer auf hohem Niveau geblieben, wobei immer weniger Menschen medizinische Zusatz-Leistungen bezahlen können.
Es gibt eine Vielzahl an unterschiedlichsten Sportangeboten im gesamten Stadtgebiet und der Region, die gut besucht und voll ausgelastet sind.
Flächenverbrauch & -nutzung:
Viele Einrichtungen sozialer Infrastruktur konnten aufgrund der angespannten Haushaltslage nicht mehr aufrechterhalten werden und werden nun durch Vereine und private Akteure, teils in den eigenen privaten „vier Wänden“ übernommen. Auf der anderen Seite ist der Bedarf nach Sportflächen stark gestiegen. Somit ist der Flächenanteil der sozialen Infrastruktur insgesamt im Vergleich zu 2020 ausgeglichen.
Handel
Der Handel hat im Rahmen des veränderten Konsumverhaltens einen starken Wandel erfahren. Großflächiger Einzelhandel ist alternativen Konzepten gewichen: Tauschen, Leihen, Reparieren sind Funktionen, die auf den einstigen Einzelhandelsflächen gleichberechtigten Platz gefunden haben. Der Handel konzentriert sich keineswegs auf die Innenstadt, vielmehr sind in den Ortslagen attraktive Klein-Zentren mit guter Versorgung entstanden. Lieferservices haben sich insbesondere in Kombination mit Direktvertrieb (z.B. Lebensmittel aus der Region) bei vielen Bewohner_innen etabliert.
Flächenverbrauch & -nutzung:
Der Anteil von Handelsflächen ist rückläufig – das veränderte Konsumverhalten der Menschen schlägt sich auch hier nieder. Auch wenn Werkstätten und Upcyclingbetriebe einen Teil der abgängigen Fläche großer Warenhäuser ausgleichen, fällt dieser in der Gesamtbilanz immer noch hinter dem Wert von 2020 zurück.
Mobilität
Durch die polyzentrische Struktur der Stadt Freiburg sind die Wege insgesamt kürzer geworden. (E-)Rad- und Fußverkehr sind die beliebten und kostengünstigen Varianten der Mobilität. Im gesamten Stadtgebiet kam es zu einer Umverteilung der Straßenfläche zugunsten der Rad- und Fußwege. Fern- Radwege stellen eine Anbindung in die gesamte Region sicher. Stadtradstationen und Leihsysteme privater Anbieter stehen an allen ÖPNV-Haltestellen bereit. Der ÖPNV wurde seit den 2020er Jahren systematisch ausgebaut, und zwar über die ganze Region. Der MIV ist deutlich zurückgegangen und in der Innenstadt komplett untersagt. Nur wenige können sich ein eigenes Auto leisten. Gleichzeitig wird von der Stadtgesellschaft die Nachhaltigkeit des MIV in Frage gestellt und allenfalls CO2-neutrale PKW werden akzeptiert.
Flächenverbrauch & -nutzung:
Durch die Zunahme von Rad- und Fußverkehr und den gleichzeitigen Rückzug des eigenen PKWs aus vielen Straßen Freiburgs konnte ein sehr beachtlicher Anteil an Verkehrsfläche, insbesondere des ruhenden Verkehrs, eingespart werden. Dieser steht nun dem öffentlichen Raum und Grünflächen zur Verfügung.
Flächenverbrauch und -nutzung
Die Bilanz von bebauter Fläche der Stadt Freiburg beläuft sich insgesamt betrachtet leicht unter dem Niveau von 2020. Durch Umbau anstatt Neubau konnte der Flächenfraß in die Peripherie vermieden werden. Flächen konnten vermehrt für Grünflächen und landwirtschaftliche Nutzung ausgewiesen bzw. erhalten werden. Der Fokus auf Gemeinschaft verhilft zusätzlich zur flächensparenden Stadtentwicklung. Auf regionaler Ebene ist der Anteil von Gewerbe- und Wohnflächen jedoch im Vergleich zu 2020 gestiegen