Zukunftsszenario 1

Dynamische Wachstumsstadt

Hochdruck und Dichte als Dauerzustand

Kernentwicklungen

Die Stadt Freiburg ist von starken dynamischen Entwicklungen gekennzeichnet. Es herrscht ein maximaler Druck auf vielen Ebenen: eine hohe wirtschaftliche Dynamik, ein hohes Maß an Zuwanderung, viele neue technologische Möglichkeiten, ein starkes Ausmaß an Klimafolgen. Vorhandene Flächen werden maximal ausgeschöpft und können aufgrund von gesetzlichen Bestimmungen nur in begrenztem Maß mit neuen Flächen ergänzt werden. Die Konkurrenzen zwischen den Flächenkategorien sind deutlich angewachsen. Der Entwicklung von Wohn- und Gewerbeflächen wird Priorität eingeräumt, was vor allem zu Lasten von Grünflächen geht.

Die Einnahmensituation der Stadt ist gut. Die finanziellen Mittel werden dringend gebraucht, um Wohnraum zu schaffen, Folgekosten der Wetterextreme zu tragen, die Infrastruktur instand zu halten und auf den aktuell technischen Stand zu bringen sowie Grünflächen vor Überlastung zu bewahren. Bei dieser dynamischen Entwicklung ist eine hohe Geschwindigkeit bei der Umsetzung von Projekten notwendig. Kurzfristige Entscheidungen haben zu einem „Flickenteppich“ an Strategien geführt.

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Stadtgesellschaft

Auseinandersetzungen mit Bewohner_innen, die gegen Entscheidungen und Projekte protestieren, haben deutlich zugenommen. Gleichzeitig gibt es eine Vielfalt an engagierten Menschen und häufig kommt es zu sehr guter zweckgebundener Zusammenarbeit zwischen öffentlichen, privaten und wirtschaftlichen Akteuren. Die Stadtgesellschaft ist von kultureller und sozialer Vielfalt geprägt, jedoch hat die Polarisierung zwischen privilegierten und ärmeren Quartieren zugenommen. Benachteiligte Gruppen oder diejenigen, die dem Entwicklungs- und Kostendruck nicht standhalten, werden zusehends ausgeschlossen.

Bezug zur Region

Die Stadt Freiburg ist auf die Bewältigung der eigenen Herausforderungen fokussiert. Eine enge Kooperation mit der Region gibt es nicht. Auch wenn die Region im Sinne eines „Überlaufeffekts“ von dem Wachstum der Stadt Freiburg profitiert, ist das Gefälle hinsichtlich der Ausstattung mit Infrastruktur zwischen der Stadt und eher ländlichen Gebieten stärker geworden.

Klimawandel & Artenschutz

Die Klimasituation hat sich im Vergleich zu den 2020er Jahren stark zugespitzt. Hitzeperioden und Starkregen machen der Stadt regelmäßig zu schaffen. Die hohe Flächenversiegelung und der sinkende Anteil an Grünflächen haben zu zwei zentralen Entwicklungen geführt: Zum einen kommt es seit Jahren insbesondere in innerstädtischen Lagen verstärkt zu Hitzeinseln und mangelnder Frischluft. Diesen kann mit natürlichen und innovativen technischen Möglichkeiten nur begrenzt begegnet werden. Zum anderen wurde und wird der natürliche Lebensraum vieler Arten weiter zurückgedrängt. Die Bewohner_innen können dem zunehmenden Verschwinden von Arten innerhalb der Stadt nur wenig entgegensetzen. Um der Verkehrsüberlastung zu begegnen, werden seit Mitte der 2020er Jahre immer wieder kurzerhand Straßen für den Individualverkehr gesperrt und Zugangsbeschränkungen für die Einfahrt in die Stadt Freiburg verhängt.

Zielkonflikte

Zielkonflikte verstärken sich aufgrund der Entwicklungsdynamiken in allen Handlungsbereichen.

Stadtfunktionen

Wohnen

Die extrem hohe Zuwanderungsdynamik stellt die Stadt Freiburg seit Jahren vor große Herausforderungen in der Wohnungsbaupolitik und Wohnraumversorgung. Der Wohnungsmarkt ist durch eine Überbelegung des Wohnraums, sehr hohe und weiter steigende Preise und ausgeschöpfte Wartelisten geprägt.

Der Stadtteil Dietenbach reichte schon nach kurzer Zeit nicht mehr aus, den anhaltenden Bedarf zu decken. Weitere große Flächen konnten und sollten nicht ausgewiesen werden, so wurden aus Einfamilienhausgebieten hochverdichtete Großwohnsiedlungen.

Das Einhalten von Qualitätsstandards war in den letzten Jahren nicht immer zu gewährleisten. Das eine oder andere Gebäude wurde illegal gebaut bzw. ohne Einholen einer Genehmigung umgenutzt.

Zur Verdichtung am Stadtrand und in den Ortslagen wurden alle Möglichkeiten erschlossen bzw. genutzt: So entstanden Anbauten und „Tinyhouses“ auf Dächern, in Gärten und Höfen des Bestands.

Mehrfachnutzungen werden zugunsten vielfältiger Bedarfe ausgereizt (Wohnen in Büros, Freizeit und Kultur in Schulen etc.). Um dies zu ermöglichen, hat die Stadt schon früh auf eine gute technische Ausstattung geachtet.

Bedingt durch den Klimawandel belasten Hitzewellen insbesondere die innerstädtischen Gebiete. Technische Maßnahmen (z.B. Klimaanlagen) und bauliche Anpassungen sorgen für etwas Linderung.

Über die Jahre hinweg hat die Flächenknappheit zu Überformungen der historischen Stadt geführt und sie weniger attraktiv für Tourist_innen gemacht. Aufgrund des Drucks auf dem Wohnungsmarkt wohnen in Hotels und Pensionen überwiegend Dauergäste.

Flächenverbrauch & -nutzung:
Weil der Wohnraumentwicklung oberste Priorität eingeräumt wird, kommt es zu einer Aufstockung von Wohnsiedlungen sowie der Überbauung und Umnutzung von Handelsflächen, zu punktuellen Anbauten und zu einer (wenn auch begrenzten) Ausweitung in die Fläche. Im Flächenvergleich zu 2020 haben die Flächen für Wohnraum deutlich zugenommen, obwohl die Fläche pro Einwohner_in gesunken ist.

Gewerbe

Dank des wirtschaftlichen Wachstums geht es den Betrieben in Freiburg und Umgebung grundsätzlich gut. Die Nachfrage nach Gewerbeflächen übersteigt das Angebot deutlich, die Preise sind entsprechend angestiegen.

Mehrgeschossige Gewerbegebiete sind aufgrund des hohen Flächendrucks zum Standard geworden.

Wetterextreme legen zeitweise Bahnstrecken lahm, unterbrechen die Stromversorgung etc. und gefährden damit immer wieder Lieferketten, so dass der Flächenbedarf für Lagerhaltung und Logistik angestiegen ist. Aus Kostengründen hat er sich in die Region verlagert.

Im Dienstleistungsbereich hat sich Homeoffice längst als Standard etabliert, um Büroflächen zu sparen. Plattformbasiertes, digitales Arbeiten hat sich schon in den 2020er Jahren durchgesetzt wo und wann immer möglich.

Flächenverbrauch & -nutzung:
Gewerbeflächen stehen unter hartem Wettbewerbsdruck. Insbesondere der Bedarf nach Wohnraum führt zu einer neuen Flächeneffizienz. Waren vor 20 Jahren noch eingeschossige Hallen und große unbebaute Flächen für Firmenerweiterungen in den Gewerbegebieten üblich, wird nun jeder Quadratmeter auch in der Höhe ausgenutzt. Betriebe mit Logistikabläufen, die sich nicht in der Vertikalen abbilden lassen, werden in die Region gedrängt. Die Gewerbeflächenbilanz in Freiburg ist im Vergleich zu 2020 leicht wachsend.

Natur und Erholung

In der dynamischen Wachstumsstadt sind Grün- und Erholungsflächen stark nachgefragt und gleichzeitig Mangelware geworden.

Das Ziel, Biotope zu schaffen und aufzuwerten und den Biotopverbund deutlich zu erweitern und zu stärken, wurde zugunsten der Wohnflächenentwicklung aufgegeben. Der öffentliche Raum wird intensiv multifunktional genutzt: morgens spielt auf einem Platz die Kindergartengruppe, abends wird Sport getrieben. Einerseits ist so eine hohe Ereignisdichte entstanden (in vielen kleinen Ecken der Stadt ist immer etwas los). Andererseits führt die starke Nutzung zu einem erhöhten Instandhaltungsaufwand, dem nicht immer entsprochen werden kann.

Die Menschen nutzen vermehrt virtuelle Angebote bzw. ersetzen das „reale Angebot“. Ein Strandbesuch, eine Wanderung, ein Picknick – viele dieser Aktivitäten erleben die Freiburger_innen in der virtuellen Realität. Regionale Freizeitangebote sind gefragt und werden häufig besucht. Insbesondere an Wochenenden und in den Ferien kommt es auch dort zu Überlastungen und Reglementierungen.

Flächenverbrauch & -nutzung:
Die Grünflächen konnten in der stetig dichter werdenden Stadt Freiburg nicht entsprechend des gestiegenen Bedarfs mitwachsen. Der Flächenanteil ist im Vergleich zu 2020 leicht rückläufig.

Land- und Forstwirtschaft

Die gewerbliche Land- und Forstwirtschaft beschränkt sich auf die Region. Der Nutzwald dient in den letzten Jahren mehr und mehr der Erholung.

Die Bedeutung der Landwirtschaft ist in der Stadt Freiburg gesunken, da sie im Konkurrenzkampf zu anderen Flächennutzungen durch Importe leicht austauschbar war. Wetterextreme haben diese Entwicklung mit beschleunigt: Waldbrände, Ernteausfälle, Starkregen etc. sorgen für erhöhte Kosten und Risiken in der Landwirtschaft.

Flächenverbrauch & -nutzung:
Entsprechend ihrer Bedeutung ist der Flächenanteil der Landwirtschaft in der Stadt Freiburg zu 2020 stark gesunken. Der Waldflächenanteil ist gleich geblieben.

Ver- und Entsorgung

Ver- und Entsorgungsdienstleister sind durch das große Wachstum ebenso gefordert wie durch die starken Klimafolgen.

Um eine vollständige Ver- und Entsorgung zu gewährleisten, wurden Eingriffe und Auswirkungen für die Umwelt in Kauf genommen (z.B. hohe Entnahme von Trinkwasser). Zu Stoßzeiten kann es zu Versorgungsengpässen durch Überlastung kommen. Die Großwohnsiedlungen sind in der Regel gut angeschlossen und versorgt. In weniger verdichteten Lagen sieht es hingegen etwas schlechter aus: hier ist die Versorgung z.B. mit Nah- und Fernwärmenetzen, schnellen Datenleitungen oder smart geregelten Entsorgungsleistungen aus finanziellen Gründen nicht flächendeckend gegeben.

Flächenverbrauch & -nutzung:
Die Ver- und Entsorgungsinfrastruktur basiert im Wesentlichen auf dem Bestand von 2020 und ist demensprechend veraltet und am Limit. Punktuelle Erneuerungen fallen in der Bilanz nur wenig ins Gewicht – der Flächenanteil ist zu 2020 leicht gestiegen.

Soziale Infrastruktur

Die Bedeutung der sozialen Infrastruktur ist prinzipiell angestiegen, kann aber mit dem starken Bevölkerungswachstum nicht Schritt halten: Es wurde über die Jahre zusehends schwerer, die Bedarfe mengenmäßig abzudecken und gleichzeitig den Interessen der Vielfalt von Menschen (kulturell, sozial) zu entsprechen (von Sprachkursen bis zur religiösen Betätigung.)

Aufgrund der hohen Dichte ist in den Großwohnsiedlungen die soziale Infrastruktur in unmittelbarer Nachbarschaft schnell erreichbar, aber es gibt nicht genug Kitas etc. um die Nachfrage zu decken. In den reichen Gegenden entstanden durch private Initiative und zahlungskräftige Nachfrage umfassende Angebote.

Für einige Ortslagen war es teilweise unmöglich, ihre soziale Infrastrukturversorgung zu halten.

Flächenverbrauch & -nutzung:
Die soziale Infrastruktur ist ähnlich wie die Grün- und Freiflächen nicht entsprechend des Stadtwachstums mitgewachsen. Punktuell gab es in neuen Siedlungen neue soziale Einrichtungen, dafür sind andere, insbesondere informellere soziale Strukturen, der gestiegenen Flächennachfrage zum Opfer gefallen. Der Flächenanteil ist im Vergleich zu 2020 in etwa gleichgeblieben.

Handel

Online-Handel verdrängt große Kaufhäuser, die sich aus Kostengründen aus der Innenstadt zurückziehen mussten. Der Handel hat sich auf Showrooms mit minimalen Lagerflächen umgestellt.

Nach dem Rückzug der großen Supermärkte und Kaufhäuser erhielt die Konbini-Kultur (Kleinstsupermärkte nach japanischem Vorbild mit oftmals kaum mehr als 50 Quadratmetern) in der ganzen Stadt Einzug. Hier werden die unterschiedlichsten Serviceleistungen (Bank, Post etc.) und die Versorgung mit Gütern des täglichen Bedarfs hocheffizient gebündelt. Durch die erhöhte Dichte ist die Nahversorgung überall gewährleistet.

Flächenverbrauch & -nutzung:
Die Handelsfläche ist auf Grund des veränderten Einkaufsverhaltens und dementsprechenden Strukturwandels des Einzelhandels in den letzten 20 Jahren substanziell geschrumpft.

Mobilität

Die Mobilitätswende wurde zugunsten drängenderer Probleme (z.B. die Wohnraumversorgung) vernachlässigt, mit dem Effekt, dass aufgrund des starken städtischen Wachstums die Kapazitätsgrenzen von MIV (motorisierter Individualverkehr), ÖPNV (öffentlicher Personennahverkehr) und auch Radverkehr schnell erreicht waren.

Es wurden zahlreiche Regelungen eingeführt, um die sehr dichten Verkehrsströme möglichst effizient zu gestalten und die Belastung der Anwohner_innen durch Lärm, Feinstaub und Geruch nicht zu stark werden zu lassen (z.B. Zeitfenster für Durchfahrten von Anlieferern und Pendlern). Privat organisierte Fahrgemeinschaften und Sharing-Initiativen finden sich im gesamten Stadtgebiet.

Durch das z.T. unkoordinierte Stadtwachstum ist der Zugang zu Mobilität im Stadtgebiet ungleich verteilt. Großwohnsiedlungen sind gut an das ÖPNV-Netz angeschlossen. Lücken bestehen weiterhin in den Ortslagen.

Flächenverbrauch & -nutzung:
Auch die Verkehrsinfrastruktur ist nicht im benötigten Maße erweitert worden, um den vielen neuen Bewohner_innen und Pendler_innen gerecht zu werden. Sie ist quantitativ und qualitativ größtenteils auf dem Stand von 2020 und dementsprechend ist ihr Flächenanteil stagnierend.

Flächenverbrauch und -nutzung

Die Stadt Freiburg wächst trotz des hohen Zuzugs und des wirtschaftlichen Wachstums nur moderat in die Fläche und konzentriert sich stark auf Nachverdichtung und Umnutzung. Der deutlich gestiegene Bedarf an Wohnfläche ist trotz großer Anstrengungen nur in Teilen durch Umwidmung von Handelsflächen gedeckt worden. Die Dichte ist deutlich gestiegen, der pro-Kopf-Wohnflächenverbrauch hingegen gesunken. Mobilität, soziale und grüne Infrastruktur stagnieren, während Handelsgewerbeflächen stark abgenommen haben.