Kernentwicklungen
In der Stadt Freiburg geben eine hohe Innovationsbereitschaft und starke Technologieorientierung der Digitalisierung einen starken Schub, die in vielen Bereichen für effiziente Ressourcennutzung und Prozesse sorgt. Die Möglichkeiten, neue Flächen auszuweisen, sind stark begrenzt. Gleichzeitig zieht es viele Menschen nach Freiburg. Um den Wohnraumbedarf zu decken, wird in innerstädtischen Lagen in die Höhe gebaut, und das nach höchsten ökologischen Standards. Die begrünten und hochmodernen Wohnanlagen sind zum prägenden Bild der Stadt geworden.
Auch in weiteren Stadtfunktionen wie Gewerbe, Soziale Infrastruktur oder Handel steht eine vertikale und flächensparende Entwicklung im Vordergrund. Durch den sinkenden pro Kopf-Wohnflächenverbrauch und das konsequente Verdichten in die Höhe ging das Schaffen von Wohnraum nicht zu Lasten von Grün- und Freiflächen. In Freiburg hat sich im gesamten Stadtgebiet eine starke Nutzungsmischung etabliert und, wo möglich, werden Räume zu unterschiedlichen Zeiten für verschiedene Funktionen genutzt (Multicodierung).
Stadtgesellschaft
Breiten Teilen der Bevölkerung ist eine ökologische Lebensweise wichtig. Dabei wird überwiegend auf Effizienz und technologische Entwicklungen gesetzt. Schnell finden sich städtische, private und wirtschaftliche Akteure zusammen, um Pilotprojekte zu die Stoffströme optimieren und Ressourcenverbrauch reduzieren. Digitalisierung und smarte Steuerung haben den Energieverbrauch der Stadt insgesamt steigen lassen. Einige Bewohner_innen kritisieren diese Bilanz immer wieder, auch wenn der Energiebedarf durch erneuerbare Energien aus der Region gedeckt werden kann.
Die „Smarte Öko-City“-Freiburg zieht zahlungskräftige technikorientierte-ökologische Milieus an. Wer sich die steigenden Mieten nicht leisten kann, dem starken Veränderungsdruck nicht standhält oder sich verweigert, erfährt wenig Verständnis. Ein starker Anstieg des Preisniveaus führt zu Verdrängungseffekten in die Ortslagen und die Teile der Region, die bezüglich der technologischen Ausstattung deutlich abgehängt sind.
Bezug zur Region
Eine enge Zusammenarbeit mit der Region hat sich im Bereich der Energiegewinnung etabliert. Durch die hohe Innovationsdynamik in den innerstädtischen Lagen hat sich das technologische Gefälle zwischen der Stadt Freiburg und der Region vergrößert.
Klimawandel & Artenschutz
Den zunehmenden Klimaextremen begegnet die Stadt Freiburg mit umfassenden technologischen Maßnahmen ebenso wie mit dem – überwiegend vertikalen – Ausbau des Grüns in der Stadt. Gebäude werden mit smart gesteuerten Klimaanlagen und Schutzräumen gegen Hitze und Starkregen ausgestattet. Wo möglich werden Fassaden und Dächer begrünt. Im Sinne des Artenschutzes wird auf den Einsatz heimischer Pflanzen geachtet sowie auf die Schaffung von weiteren Grünraumverbundsystemen in der Stadt.
Zielkonflikte
Zielkonflikte verstärken sich vor allem entlang sozialer Handlungsbereiche: Zum einen bildet die steigende Kluft zwischen privilegierten und weniger gut gestellten Quartieren eine große Herausforderung in der „Smarten Öko-City“-Freiburg. Zum anderen ist die Technologieorientierung in der Bevölkerung unterschiedlich ausgeprägt.
Stadtfunktionen
Wohnen
Der Schaffung von Wohnraum bei gleichzeitiger Einhaltung von höchsten ökologischen Standards wird eine hohe Priorität eingeräumt. Schon Mitte der 2020er-Jahre wurden die Bauauflagen massiv angepasst: Die ökologischen Anforderungen wurden ausgebaut und gleichzeitig wurde ermöglicht, dass in zentralen Lagen in extreme Bauhöhen mit weit über zehn Geschosse gebaut werden darf.
So sind nach und nach insbesondere in der Kernstadt „vertikale Quartiere“ aus einem Verbund von jeweils mehreren hohen Gebäuden mit sehr hoher Wohndichte entstanden. Einige der Hochhäuser sind komplett neu gebaut, andere bestehen aus Aufstockungen des Bestands.
In den neuen Hochhäusern werden Energieproduktion und -verbrauch des Hauses ebenso digital gesteuert wie die Beleuchtung, der Sonnenschutz, die medizinische Versorgung der Bewohner und die Bewässerung der Gärten.
In Freiburg sind vielfältige, gemischte Strukturen entstanden. Es finden sich in unmittelbarer Nähe zu den Wohnungen Büroflächen ebenso wie Freizeitmöglichkeiten und Infrastruktureinrichtungen.
Die Investitionen haben die Mieten im Zentrum stark ansteigen lassen. Technikorientierte- ökologische Milieus haben nach und nach weniger zahlungskräftige Haushalte an den Stadtrand, in die Ortslagen und die Region verdrängt. Neben den steigenden Preisen ist es auch der ökologische und technologische Veränderungsdruck, den nicht alle Freiburger_innen mitgehen wollen. Diese suchen sich bewusst Wohnraum in weniger „gut“ ausgestatteten Gebieten. Der Preisdruck sorgte für einen insgesamt verringerten pro Kopfverbrauch an Wohnflächen. Allerdings verteilt sich dieser sehr unterschiedlich über die sozialen Gruppen.
Flächenverbrauch & -nutzung:
Um dem hohen Wohnraumbedarf zu entsprechen, wurde die zulässige Anzahl an Geschossen auf den Grundstücken massiv erhöht. Auf zusätzliche Außenentwicklung wurde größtenteils bewusst verzichtet, um Landschaft und Landwirtschaft zu erhalten. In fast allen Umstrukturierungsgebieten in der Stadt sind gemischte Strukturen entstanden, wo Wohnen und Arbeiten „im großen Stil“ unter einem Dach möglich wird.
Gewerbe
Digitalisierung und Robotik sind feste Bestandteile der Produktionsprozesse geworden. Von der Beschaffung von Rohstoffen über die Produktion von Einzelteilen bis zur Auslieferung der fertigen Produkte sind alle Prozesse weitestgehend abgestimmt und orientieren sich an einer „Just-in-Time-Produktion“, also einer Produktionsform, bei der Zuliefer- und Produktionstermine genau aufeinander abgestimmt werden, um Lagerkosten zu vermeiden. Dementsprechend hoch ist der Anteil an Wissenschaft und Forschung sowie Wartung und Steuerung im gewerblichen Bereich.
Nach und nach wurden besonders flächenintensive und weniger wertschöpfungsintensive Gewerbe (z.B. Logistik) in die Ortslagen bzw. in die Region verdrängt. Und mit ihnen auch die entsprechenden Arbeitsplätze, die bis dahin zu einer insgesamt guten sozialen Stabilität beigetragen hatten. In den „vertikalen Quartieren“ entstand eine programmatische Vielfalt: verschiedenste Einrichtungen finden sich unter einem Dach und bilden fast eine Art eigene „Stadt in der Stadt“. Hier ist die Nutzungsmischung sehr hoch, insbesondere Dienstleistungen haben dort feste und flexible Standorte gefunden. Räume werden zu verschiedenen Zeiten in verschiedenen Funktionen genutzt (Multicodierung).
Flächenverbrauch & -nutzung:
In den letzten 20 Jahren gab es eine starke Zäsur: wohnverträgliches Gewerbe oder solches, welches sich mittels neuer technischer Innovationen dorthin entwickeln konnte, ist zusammen mit Wohnnutzung in die vielen funktionsgemischten Gebiete gewandert. Kostendruck hat zu einer Abwanderung von flächenintensivem Gewerbe in die Randlagen bzw. in die Region geführt. Reine Gewerbeflächen als Schutzraum für Gewerbe mit starken Emissionen von Lärm, Geruch oder Schadstoffen gibt es nur noch sehr vereinzelt. Der Flächenanteil reiner Gewerbeflächen hat stark abgenommen.
Natur und Erholung
Grün- und Erholungsflächen wurden seit den 2020er-Jahren nicht substanziell erweitert, aber durch Dachlandschaften und begrünte Fassaden ergänzt. Seitens der Stadt wurden alle Möglichkeiten zur Begrünung von Seitenstreifen etc. ausgereizt. Zum Einsatz kommen Pflanzen, die hitzebeständig sind, mit wenig Wasser auskommen, kühlenden Schatten spenden und den heimischen Artenschutz fördern. Smarte Steuerung sorgt für eine optimale Bewässerung. Von dem grünen Erscheinungsbild der Stadt profitieren die Bewohner_innen unterschiedlich: Viele Dachgärten im innerstädtischen Bereich sind nur privat zugänglich.
Und so sind die öffentlichen Grünräume und Plätze als zentrale Treffpunkte in der dichten Stadt oft überlastet. Ausgleich wird gesucht in den nahgelegenen Landschaften in der Region. Sie bilden Refugien von Ruhe und teilweise auch bewusster digitaler Nicht-Erreichbarkeit.
Flächenverbrauch & -nutzung:
Der Eindruck täuscht gewaltig: Die Grün- und Erholungsflächen innerhalb der Stadtgrenzen Freiburgs belaufen sich in ihrem Anteil in etwa auf dem Niveau von 2020. Durch Vorschriften zur Ausbildung von Gärten und Mikroparks in unterschiedlichen Flächenkategorien ist Freiburg dennoch viel grüner geworden – auch wenn diese neuen Grünräume oftmals privaten Nutzern vorbehalten sind.
Land- und Forstwirtschaft
Durch die anhaltende Konzentration der Siedlungsfläche im Stadtkern und am Stadtrand konnten Land- und Forstwirtschaftsflächen erhalten werden. Vertical Farming & Urban Gardening auf Dächern ergänzen den Anbau von Agrarprodukten in kleinem Maßstab.
Zur Deckung des durch den starken Technikeinsatz gestiegenen Strombedarfs finden sich zunehmend hochgeständerte Photovoltaikanlagen auf den Feldern, die das Landschaftsbild prägen.
Flächenverbrauch & -nutzung:
Land- und Forstwirtschaftliche Flächen konnten vor dem Entwicklungsdruck des „Wohnens“ geschützt werden und machen den gleichen Anteil wie 2020 aus.
Ver- und Entsorgung
Die Ver- und Entsorgungssysteme wurden mit neuester, „intelligenter“ Technik ausgestattet und steuern sich vollautomatisch: Mülleimer werden geleert, wenn sie melden, dass sie voll sind, Straßenbeleuchtungen werden bedarfsgerecht ein- und ausgeschaltet etc. Die Investitionen schlagen sich in erhöhten Verbraucherpreisen nieder. Der Bedarf an Energie ist insgesamt gestiegen. Er wird gedeckt durch eine Vielzahl innovativer Techniken, wie z.B. geständerter oder faltbarer Photovoltaikanlagen oder Energiegewinnung durch Photosynthese. Das hohe Maß an Digitalisierung hat die Ver- und Entsorgungssysteme angreifbarer gemacht. Die Probleme bestehen dabei nicht in Versorgungsengpässen, sondern in Angriffen von Hackern.
Flächenverbrauch & -nutzung:
Ver- und Entsorgungsinfrastruktur wurde in den letzten 20 Jahren smarter, kleiner, dezentraler und konnten somit oftmals direkt in neue Gebäude und Quartiere integriert werden. Diese Einsparung gleicht sich jedoch durch zusätzlichen Flächenbedarf für Energiegewinnung infolge des gestiegenen Energiebedarfs wieder aus. Das heißt, der Flächenanteil bleibt konstant.
Soziale Infrastruktur
Bei der Entwicklung der „vertikalen Quartiere“ wurde auf eine Integration sozialer Räume der Begegnung ebenso geachtet wie auf eine Versorgung mit Kitas, Pflegeeinrichtungen, medizinischen Diagnose und Behandlungseinrichtungen etc. Die hier lebenden, gut situierten Bewohner_innen finden eine sehr gute Ausstattung auf innovativstem Niveau in unmittelbarer Nähe. In dem einen oder anderen „vertikalen Quartier“ wird der Zugang – wie in einer Gated Community – exklusiv gehalten, d.h. andere Personen können die Einrichtungen nicht nutzen.
Während an einzelnen Standorten in den Ortslagen kleinere Ärzte- und Gesundheitszentren entstanden sind, sind die sozialen Infrastruktureinrichtungen in Ortslagen mit geringerer Zahlungskraft oft überfüllt und befinden sich nicht immer in unmittelbarer Nähe.
Für einige Ortslagen war es teilweise unmöglich, ihre soziale Infrastrukturversorgung zu halten.
Flächenverbrauch & -nutzung:
Viele neue soziale Einrichtungen schlagen sich auch in der Flächenbilanz nieder – ihr Anteil ist leicht gewachsen. Die Integration sozialer Einrichtungen in „vertikalen Quartieren“ erfordert keine neuen Flächen, lässt jedoch den Anteil gemischt-genutzter Strukturen steigen. In den anderen Lagen steigt der Bedarf nach Flächen für Soziale Infrastruktur leicht an.
Handel
Durch die hohe Affinität zu digitalen Medien hat der Onlinehandel den klassischen Einzelhandel fast komplett verdrängt. Die noch bestehenden Geschäfte nutzen den Raum effektiv aus: Mikro-Lagerstätten entstehen an vielen Plätzen verteilt (z.B. auf Überdachungen von Bushaltestellen).
In den Innenstadtlagen finden sich in den Erdgeschosszonen Mischungen aus Show- und Event-Räumen sowie Cafés und Gaststätten, offene Büroflächen und Freizeiteinrichtungen. Ob nach Hause oder in den Show-Room: Die Logistik wird auf der letzten Meile durch Cargo-Bikes, elektrische Lieferroboter etc. nachhaltig gelöst.
Flächenverbrauch & -nutzung:
Der Anteil benötigter Fläche für den Einzelhandel ist im Vergleich zu 2020 deutlich rückläufig. Während in den innerstädtischen Handelslagen vermehrt kombinierte Angebote aus Gastronomie, Arbeiten etc. die Flächen kompensiert haben, sind am Stadtrand die Verbrauchermärkte zu gemischten vertikalen Quartieren geworden.
Mobilität
Die „Smarte Öko-City“-Freiburg hat sich alle Mittel der Digitalisierung erschlossen und damit wachsende Verkehrsströme bis zu ihren Effizienzgrenzen ausgereizt. Alle Verkehrsmittel sind miteinander verknüpft, um optimale Auslastungen zu ermöglichen.
Autonome Fahrzeuge bilden die Grundlage für die Ausbreitung des Konzepts „Mobilität als Service“ und ihre Nutzung ist reibungslos mit anderen Verkehrsmitteln integriert (eScooter, Bus & Bahn etc.). Individueller Fahrzeugbesitz wird deutlich reduziert. Stoßzeiten werden mit besonderen Gebühren belegt, um eine Überlastung des innerstädtischen Verkehrs zu vermeiden Auf kurzen Wegen haben sich in der ökologisch bewussten Stadt Fuß- und Radverkehr (gerne mit Pedelec) durchgesetzt.
Flächenverbrauch & -nutzung:
Die smarte neue Mobilität ist höchst effizient, auch was den Flächenverbrauch angeht: Auch wenn der Verbrauch an Fläche für Verkehrswege und Umsteigestationen (Mobilitäts-Hubs) steigt, sinkt er insgesamt durch einen deutlich stärkeren Rückgang bei den Flächen für Parkplätze.
Flächenverbrauch und -nutzung
Die Flächenbilanz der „Smarten Öko-City“- Freiburg ist im Vergleich zur Flächennutzung im Jahr 2020 insgesamt gleichbleibend, wobei es eine Verschiebung innerhalb der Anteile gibt. Grün- und Freiflächen sowie landwirtschaftliche Flächen bleiben erhalten. Neuer Wohnraum wird überwiegend in die Höhe geschaffen. Durch den hohen Technologisierungsschub ist es vermehrt gelungen Gewerbe und Wohnen in gemischten Strukturen zusammenzubringen. Dennoch bleibt es in diesem Szenario ein harter Kampf zwischen Wohnraum und gewerblichen Flächen, der in der Regel zugunsten des Wohnraums ausgeht. Flächenintensives Gewerbe, das sich nicht mit Wohnen verbinden lässt, verlagert sich in Teilen in die Region. Durch smarte Technologien sind in den weiteren Stadtfunktionen Flächeneinsparungen, bei gleichbleibender Lebensqualität, möglich – auch wenn dabei der Energieverbrauch steigt und davon nicht jeder Bewohnende der Stadt profitiert.